Warum die Deutschen den zweiten Weltkrieg gewonnen haben

mutterdrachenWir sitzen im Auto, meine Mutter, mein Mann, mein Sohn und ich. Es regnet. Wir wollen ins Museum. Wenn meine Mutter in Berlin ist, dann soll sie sich bilden. Fotokunst anschauen. Ich mag keine Fotokunst – sagt sie zu Hause, noch bevor wir losfahren, sie seufzt und schlurft durch die Gegend, es dauert ewig bis sie ihre Haare toupiert hat, sie raucht die Toilette voll. Ich lasse mich nicht aus der Fassung bringen. Meine Mutter sollte mal ihren Horizont erweitern und sich genauer informieren. Es gibt nämlich nichts, was meine Mutter genau wüsste. Alles bei ihr ist ungefähr und passt nur ungefähr zusammen.  Die pink karierte Jacke zum Beispiel, die sie heute anhat, passt nur ungefähr zu der silbernen Handtasche mit den schwarzen Pünktchen, von den zwei vollen Plastiktüten (kein Mensch weiss, was sie dadrin rumträgt),  den chinesischen Adidasimitaten und dem Lila Regenschirm nicht zu sprechen.

Ich habe ihr mal einen schwarzen Regenmantel geschenkt und eine Baskenmütze – da sah sie aus  wie eine französische Existentialistin, die Busenfreundin von Sartre – und ich ließ uns ausgefallene Käsesorten einpacken, an diesem  Nachmittag fühlten wir uns wie echte Franzosen, wir hätten den Sprung fast geschafft, aber der Mantel verschwand  schnell in dem schwarzen Loch, das meine Mutter ihren Schrank nennt und denKäse traf ich Wochen später auf dem Flur wieder, er war in Vergessenheit geraten wurde lebendig und forderte seine Persönlichkeitsrechte ein. Der Speck und die Zwiebeln hatten ihn restlos verdrängt.

Mutter fragt plötzlich ob wir nicht kurz am Flohmarkt halten wollen. Das ist ein Kunstmarkt, korrigiere ich. Mein Mann zieht die Vollbremse und sagt – geht ruhig, ich warte hier im Auto auf euch. Wir steigen im strömenden Regen aus, zücken den lila Regenschirm und waten als die einzigen Besucher des Kunstmarktes durch die Pfützen. Chinesische Adidaschuhe würden auch den Atomkrieg überleben. Überall liegen die Reste bürgerlichen Lebens, Damastdecken, Porzellangeschirr, Bettwäsche mit Signatur, Püppchen, Statuetten, Lämpchen. Meine Mutter seufzt. Am Ende bleibt nach jedem Leben nur Müll übrig – sagt sie, und ich widerspreche ihr vehement. Sie kauft sich ein nagelneues Armband mit durchsichtigem und rotem Strass und zieht es an zu den roten Korallen.

Als wir wieder im Auto sitzen, schaltet mein Mann den Motor an und fährt quer über die vierspurige Straße zum Mittelstreifen, macht eine spitze Kurve und kommt rechtzeitig noch vor zwei LKW-s auf die andere Seite.

Meine Mutter atmet laut durch: “ Siehst du, deswegen haben die Deutschen den Zweiten Weltkrieg gewonnen” – sagt sie bedeutungschwanger. Wir schauen erstaunt nach hinten. – Ääääh, hätten gewinnen sollen…

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6 Antworten auf Warum die Deutschen den zweiten Weltkrieg gewonnen haben

  1. 500beine sagt:

    den 3. weltkrieg holen wir uns mit dem taxi. locker.

  2. kurt sagt:

    ich mag
    mag
    den , die bilder , den regen,,und das warten

    ein highlight
    das haben sie wunderbar gedichtet…

  3. Sherry sagt:

    …vor allem aber die Augen und Augenbrauen, Réka. Ich habe noch nie eine Armenieren gesehen, ohne unglaublich ausdrucksstarke Augenbrauen. Bei Iranerinnen ist das genauso. Es gibt ja inzwischen einige Theorien, die uns doch eine enge Verwandtschaft andichten. Ich kann’s mir jedenfalls vorstellen, weil wir historisch schon immer sehr kompatible Völker waren.

  4. Réka Kincses sagt:

    Ja, das ist meine Mama und das mit der Nase, na ja, das hat bei uns Tradition und kommt von der armenischen Linie. Und die armenische Schrift ist mit dem persischen verwandt. Die Nase auch.

  5. Hajnalka sagt:

    Kösz..indulás elöt röhögéstöl bepissiltem….

  6. Sherry sagt:

    Ist das Deine Mama auf dem Bild, Réka? Wer auch immer sie ist, sie sieht sehr lässig aus und hat eine wunderbare Nase.

    Immerhin war der Satz “ungefähr” richtig, sie hat ihn ja noch korrigiert. Auch, wenn ich anderer Meinung bin als sie, was den Weltkrieg anbelangt. :)

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