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hausdrachen . házisárkány http://www.hausdrachen.net Hysterische Frauen an die Macht! . Hatalmat a hisztérikus nőknek! Thu, 31 Mar 2016 13:42:37 +0000 en hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.1.3
Bulette im Haar http://www.hausdrachen.net/2016/03/31/bulette-im-haar/ http://www.hausdrachen.net/2016/03/31/bulette-im-haar/#comments Thu, 31 Mar 2016 13:41:24 +0000 Réka Kincses http://www.hausdrachen.net/?p=498 Weiterlesen ]]> „Ich bin nicht deine Tochter“ – sagt sie auf ein mal, sie dreht sich zur Seite und schaut mich entschlossen an. Wir liegen beide auf dem Bett, es ist ein friedlicher Nachmittag und wir wollen Siesta machen und etwas vorlesen.
„Nein? Wessen Tochter bist du dann?
Von Niemandem.
Und wer ist dein Vater?
Niemand.
Und dein Bruder?
Niemand.
Und deine Großmutter?
Niemand.
Und wer bist du?“

Sie sagt ihren Namen. Ihr kleiner Körper ist durchgestreckt, sie scheint augenblicklich länger geworden zu sein. Sie schaut ernst hinter ihren roten Locken und ist erst drei Jahre alt.

Bist du sauer? – frage ich, denn der Anfall kam ganz plötzlich und ohne jeden Grund.
Nein- antwortet sie – DU bist sauer.
Ich muss lachen, denn sie hat Recht. Ein Hauch von Ärger kam in mir auf, irgendwo knapp unter der Schwelle des Bewusstseins.
Sie lacht nicht zurück. Sie schaut streng, als wäre sie plötzlich in ein unsichtbares Kampffeld geraten.

Und ich liebe dich nicht – fährt sie fort.
Nicht?
Nein.

Mir fällt ein, dass sie mir, als sie noch kein Jahr alt war, mal eine Bulette gegen den Kopf geworfen hat. Einfach so, beim Mittag essen. In der Küche meiner Mutter. Die lachte und sagte. „Ich freue mich schon!“ „Worauf denn?“ – fragte ich.
Meine Mutter antworte nicht, strahlte mich nur an und hörte nicht auf zu lächeln. In mir stieg ein unangenehmes Gefühl hoch, Erinnerungen, Szenen die ich immer als meine Heldengeschichten betrachtet und stolz herumerzählt habe.
Es ist passiert, dass ich meine Mutter geschubst und durch die Wohnung verfolgt habe. Ich schlug ihr mehrmals auf den Nacken und brüllte dabei. Ich habe sie mit jeder Schwäche aufs schärfste konfrontiert, habe ihr die Salatschüssel über den Kopf gezogen und das Radio ans Bein geworfen.
„Das ist nicht normal, du solltest dich mal behandeln lassen“ – sagte mir meine gute Freundin, eine Psychiaterin. Aber ich war mir sicher, dass es gut ist was ich tue, denn sonst hätte ich meine Mutter gehasst, den Kontakt zu ihr abgebrochen oder ich hätte früher oder später den Krebs. So aber konnte ich sie zwischen den Prügeleien immer noch lieben.
Schlechtes Gewissen hatte ich nicht, sie hat mich Gott sei dank eh immer machen lassen und war nicht zimperlich.

„Du bist die einzige Person auf der Welt, vor der ich Angst habe“ – sagte meine Mutter mal zu mir und das war so etwas wie ein Ritterschlag, eine Bestätigung meiner Stärke. Die Bestätigung, auf die ich immer gewartet habe, die ich nie für Leistungen, Fähigkeiten, Qualitäten oder einfach nur für mein Sein bekam. Anerkennung kriegte ich von meiner Mutter erst für meine besonders bedrohliche Art, meine heftigen Konfrontationen, und für die Härte, mit der ich meine Kämpfe führte.

„Du bist für mich wie eine Almodóvar-Frau“ – sagte sie mir mal mit Stolz in den Augen. „Wenn eine Leiche in deiner Küche liegt, weil du jemanden umgebracht hast, dann buddelst du ihn einfach ein und lebst weiter, als wäre nix gewesen. Du bist wirklich stark!“

Ich war sehr stolz darauf, meine Mutter besiegt zu haben. Das hat die Securitate nicht geschafft, die Polizei nicht, die grölenden nationalistischen Schläger im März 1990 nicht, und mein Vater schon gar nicht. Aber ich.

An diesem Mittag nahm ich mir die Bulette aus dem Haar. Meine Mutter fütterte mit Hingabe ihre Enkelin weiter und hatte etwas siegreiches in den Augen. Da schimmerte es mir, das dieser Krieg zwischen Mutter und Tochter doch noch nicht ausgestanden war.

Du liebst mich also nicht? – frage ich meine dreijährige Tochter noch mal.
Nein – antwortet sie – Und du bist nicht meine Mutter.

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Willkommenskultur http://www.hausdrachen.net/2016/03/23/willkommenskultur/ http://www.hausdrachen.net/2016/03/23/willkommenskultur/#comments Wed, 23 Mar 2016 11:39:01 +0000 Réka Kincses http://www.hausdrachen.net/?p=499 Weiterlesen ]]> „Als feinsinnige Empathikerin… sagt dir das was?“ – Ich nicke. Habe zwar keine Ahnung, wovon sie redet, aber ich kann es mir irgendwie vorstellen. Mir sind schon alle möglichen Menschen begegnet, manche die sich nur von Licht ernährten, andere waren die Reinkarnation von Julius Caesar oder konnten genaue Hinweise über Seelenpartner geben und trugen dabei weiße Cowboystiefel mit Glitzer drauf. Ich höre aufmerksam zu, ich habe mir schließlich vorgenommen die Flüchtlingssituation zu verstehen um herauszufinden, was meine eigene Meinung dazu ist. Und sie ist die erste freiwillige Helferin, die mir über den Weg läuft, eine alternde Schönheit, mit langen, weißen Haaren. Sie ist groß und schlank mit schönem Gesicht, zartrosa Stoffmantel, teuren Stiefeln.

„Also als feinsinnige Empathikerin kriege ich ganz viel mit. Ich bin da immer herumgelaufen, zwischen den Tüchern, sie leben ja in dieser Notunterkunft nur mit Laken und Tüchern voneinander getrennt…“ – sie wirft immer wieder ungeduldig die langen Haare wie jemand, die nicht lange stehen und Auskunft geben will.

„Darf ich da mal mitkommen?“- frage ich schnell, am besten nix entgehen lassen, die Zeiten, die man mit der Recherche verbringt, zahlt einem ja schließlich keiner.

„Ich gehe da nicht mehr hin, ich habe heute meine Zusammenarbeit gekündigt!“  Das klingt so, wie etwas von großer Bedeutung für die Weltgeschichte.

Mir fällt Móric ein, der ungarische Witzheld, der dem blinden Mann gegen seinen Willen auf die andere Straßenseite helfen wollte, und fange an zu begreifen wie weit bei manchen der Wunsch zu helfen tatsächlich geht.

Die Helferin scheint durch mich hindurchzuschauen, sie ist auf der Suche nach etwas, das ich ihr ganz sicher nicht bieten kann. Denn ich komme weder aus einem Kriegsgebiet noch sieht man mir schwere Traumatisierung an. Ich bin für sie gänzlich uninteressant.

„Und was ist passiert, warum hörst du auf?“ – frage ich weiter. Sie winkt genervt ab.

„Ach… auf einmal dürften wir da nicht mehr frei herumlaufen, sie wollten uns Vorschriften machen, dass wir uns nur noch in der Vorhalle aufhalten sollen… also als Empathikerin kann ich zwischen so vielen Menschen ja gar nicht arbeiten, in der Vorhalle… das ist mir viel zu viel… “

„Und wer hat die Vorschriften gemacht?“

„Die Johanniter.“

„Aha… Und was genau hast du da gemacht, ich meine bei den Flüchtlingen?“

„Ich habe mich dort zwischen ihnen bewegt, zwischen den Flüchtlingen… und… ich kriege ganz schön viel mit… ganz schön viel… Ich habe auch häusliche Gewalt mitbekommen!

Wirkungpause. Sie seufzt vieldeutig. Häusliche Gewalt. Ja, das ist schlimm.

Bei uns zuhause gibt es sie mehrmals die Woche. Die geht meistens von mir aus. Und damit will ich häusliche Gewalt auf keinen Fall verharmlosen.

„Ganz schlimme Traumas sind hochgekommen.“ – fährt sie fort.  „Ganz- ganz schlimm! Ich habe mit ihnen viel gearbeitet! Irgendwie… geholfen.“

Ich versuche mir die Situation bildlich vorzustellen: lauter kleine, dunkelhäutige, schwer traumatisierte Schreihälse zwischen Laken, die sich eins auf die Mütze geben, dazwischen ein großer, blonder Friedensengel mit viel Empathie und in teuren Klamotten. Herrlich.

„Und was machst du beruflich sonst so?“ – frage ich weiter.

„Ich bin Heilpraktikerin“- antwortet sie nicht ohne Stolz und mit einem routinierten Lächeln.

Tja. Jetzt könnte ich sie darüber aufklären, dass ich auch Heilpraktikerin bin, habe schließlich eine abgeschlossene Heilpraktikerausbildung, und dass ich auch mit Menschen arbeite und so weiter, aber sie hat ja nur an schwer traumatisierten syrischen Flüchtlingen Interesse. Das kann ich verstehen, schließlich waren meine Freunde lange Zeit auch nur Neurotiker, Psychopathen, Borderliner, Drogensüchtige oder schwer Kranke. Alles andere ist ja auch langweilig.

„Und woher kommen die meisten Flüchtlinge?“

„Aus Syrien!“

Der Saal füllt sich inzwischen mit älteren Damen und Herren, die Kleidung lässt auf ökologisches Bewusstsein und Universitätsstudium schließen. Das sind Helfer, lauter Menschen die Flüchtlinge willkommen heißen und umsonst helfen, ganz ohne Selbstsucht, Eigennutz oder Ähnlichem. Im Gegensatz zu mir, die stets irgendein Theaterstück oder Film oder Blog im Kopf hat. Ich bewundere diese Menschen. Ich frage mich, wie sie das schaffen. Vermutlich sind sie anders erzogen worden als ich. Vielleicht mussten sie ab und zu auch mal abwaschen. Oder ihr Zimmer selbst aufräumen. Sie mussten auf ihre kleineren Geschwister aufpassen und sich sozial verhalten.

Das alles musste ich nicht. Denn wir hatten immer eine Zugehfrau, vier Großeltern und meine freiwillige Zeitmutter Manyika, die sich um uns Kinder gekümmert haben.

Das Wort „Zugehfrau“ habe ich das erste Mal bei Pumuckel gehört und mit Erleichterung festgestellt, dass es so etwas in Deutschland auch mal gegeben hat. Wenn auch lange her und in Bayern. Das ist eigentlich schade, denn so was würde ganz vielen syrischen Flüchtlingen den deutschen Arbeitsmarkt unverzüglich eröffnen. Um gut zu kochen und liebevoll zu Kindern zu sein, braucht man nämlich nicht mal die Sprache.

Meine deutschen Freunde haben aber nie eine Zugehfrau gesehen, schon gar nicht eine die jeden Tag kommt, kocht, putzt und aufräumt. Und das auch noch gerne. Sie wollen lieber alles selber machen. Selber kochen, selber putzen, ihre Wohnungen selber renovieren und ihre Regale selber aufbauen. Sie wollen keine Menschen als Bedienstete ausnutzen. Und natürlich ist Mindestlohn eine tolle Errungenschaft.

Unsere erste Zugehfrau zum Beispiel, damals noch in Rumänien, war neunzehn Jahre alt als sie zu uns kam und trug ein Kopftuch. Ihr Mann wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, wegen Diebstahl aus einem Güterzug. Mein Vater war ihr Anwalt und holte sie zu uns nach Hause, damit sie irgendwie über die Runden kommt. Sie ist heute über fünfzig und wir sind immer noch befreundet. Allerdings habe ich Jahre gebraucht, bis ich verstand, dass meine Kleider nicht von alleine sauber zusammengelegt in den Schrank wandern. In meiner ersten Studentenbude musste man einen Himalaya dreckiger Wäsche erklimmen bevor man sich aufs Sofa setzen und eine rauchen konnte.

Die willkommensfreudigen Helfer setzen sich in einen Kreis und tauschen Ideen und Erfahrungswerte aus. Sie kennen sich gut, machen Witze, planen Teeabende und Kaffeklatsch. Sie erwähnen Namen, natürlich arabische, und Ereignisse. Es geht um Insider.  Ich versteh nix, erfahre aber später ein paar Fakten.

Die Johanniter betreiben die meisten Notunterkünfte. Das hat etwas mit niedrigeren Preisen und besseren Konditionen zu tun, die sie der Stadt anbieten. Die anderen Hilfsorganisationen haben schlechte Chancen gegen sie. Es herrscht Konkurrenz auch im Helfergeschäft. Das betrifft natürlich nicht die Freiwilligen. Sie kriegen nix.  Trotzdem werden sie von den Johannitern nicht gemocht, sie schnüffeln zu viel herum und sagen, wenn was nicht richtig läuft. Also müssen sie fortan in der Vorhalle bleiben. Ich denke, ich sollte mich auch engagieren. Oder so.

Ich gehe zu der Frau hin, die sich um den Arbeitsbereich „Kunst und Kultur“ kümmert und biete ihr an mit Flüchtlingen Theater zu machen. Ich bekomme eine unklare Antwort, aus der hervorgeht, dass sich schon mehrere Schauspieler, Regisseure, Coaches  und Ähnliche gemeldet haben. Wie bei der ganz normalen Indiofamilie in den Siebzigern -  Vater, Mutter, die Kinder und der Anthroploge – so gehört heute der Künstler zu den  Flüchtlingsunterkünften.

Ich schreibe der zuständigen Frau eine Email, dass ich mich als Alltagslotse für die Flüchtlinge anbiete. Nach einer kurzen unbestimmten Antwort meldet sie sich nicht mehr. Ich schreibe der „Kunst und Kultur AG“ Frau, dass ich gerne mal mitkäme, wenn sie mit den Flüchtlingen arbeitet. Sie antwortet auch nicht mehr.

Kurz vor Weinachten ging eine Rundmail herum vom Jugendamt, ein Aufruf an nette Bürger die syrische Flüchtlingskinder über Weihnachten aufnehmen würden. Als wir uns am nächsten Tag meldeten, waren alle Kinder schon weg. Meinen Freunden, die es ebenfalls versucht hatten, erging es ähnlich.

„Man muss doch mehr von ihnen importieren, wenn die Nachfrage so groß ist“ – bemerkte lapidar mein Kumpel aus Budapest dazu. In diesem Sinne glaube ich, es kann nur heiter werden.

 

 

 

 

 

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Schweinefleisch http://www.hausdrachen.net/2016/03/09/schweinefleisch/ http://www.hausdrachen.net/2016/03/09/schweinefleisch/#comments Wed, 09 Mar 2016 12:36:17 +0000 Réka Kincses http://www.hausdrachen.net/?p=486 Weiterlesen ]]> Ich sitze im Auto, es ist kalt draußen, ein bisschen neblig, aber die Morgensonne kommt schon durch. Die Felder sind wie üblich von betörender Schönheit, was nichts an der Tatsache ändert dass mir eine Stimme ständig „ wie bist du hier gelandet? Was hast du hier verloren?“ zuflüstert. An die habe ich mich schon gewöhnt, die ist beständig da, wenn ich alleine herumfahre, also mehrere Stunden am Tag. Um sie nicht so laut zu hören läuft bei mir immer das Autoradio. Als Nebeneffekt bin ich bestens über Kunst und Kultur informiert und über die Veranstaltungen die ich alle nicht besuchen kann.

Gerade habe ich mein Kind in die Kita gebracht, das andere Kind ist in der Schule und der Ehemann in seiner Firma. Ich habe einen ganz langen, eventuell sogar sonnigen Tag vor mir, um Arbeit zu verrichten, nach der mich keiner gefragt hat, und bei der es fraglich ist ob sich überhaupt irgendjemand dafür interessieren wird, geschweige denn sie bezahlen. Als freiberuflich künstlerisch tätiger Mensch habe ich heute jede Menge Zeit um mich selbst zu verwirklichen.

Ich biege in unsere schöne Straße ein und parke vor unserem wunderschönen Haus. Mich tröstet es nur selten dass das Haus schön ist, eine gewisse Undankbarkeit sitzt bei mir tief und sie ist schwer rauszukriegen. Wer ein Haus hat der ist irgendwie angekommen, denke ich. So jemand scheint eine Heimat zu haben. Ich aber bin hier nicht zu Hause und möchte es auch nicht sein. Ich will zu Hause zu Hause sein.

Ich schalte den Motor ab. Vogelgezwitscher. Im Radio kommt wieder etwas über die Flüchtlingskrise. Ich drehe das Gerät lauter, denen geht’s schließlich viel schlechter als mir, das bringt mich von meinen quälenden Gedanken weg.
Die CDU aus Schleswig-Holstein sorgt sich um das Schweinefleisch – höre ich – dieses deutsche Kulturgut, das gerade aus den Kantinen verdrängt wird, natürlich wegen muslimischer Zuwanderung. Sehr interessant. Und tatsächlich meldet sich die Chefredakteurin der Berliner Zeitung zum Kommentar. Sie findet es unmöglich, dass jetzt das Schweinefleisch als Teil der deutschen Kultur betrachtet wird, etwa mit Goethe und Mozart auf die gleiche Ebene. Ist die CDU wieder mal plemplem? – fragt sie sich.

Ich nehme die Einkaufstüte in die Hand um auszusteigen und denke daran, dass ich während meines frühzeitig abgebrochenem Anthropologiestudiums mal was darüber gelesen habe. Ich las, dass Menschen in ihren Essgewohnheiten am konservativsten sind. Essgewohnheiten hielten sich länger als die Sprache oder die Religion, hieß es dort. Das hat mich damals aus mehreren Gründen sehr überzeugt. Erstens erinnerte es mich an die armenische Familie meiner Mutter. Sie sind im siebzehnten Jahrhundert nach Siebenbürgen eingewandert und heirateten all die Jahrhunderte ausschließlich untereinander um die Kultur zu bewahren. Doch am Ende ist nur die große Nase und eine grüne armenische Suppe Namens Angadjabur erhalten geblieben. Sonst ist alles verloren gegangen, die Sprache, die Religion, die Bräuche.

Es ist also auch in Deutschland so weit, auf ein mal denkt man über Essgewohnheiten nach. Die Deutschen sind gezwungen in Kategorien zu denken, die sie längst loshaben wollten. Sie müssen sich unweigerlich fragen was „deutsch“ ist oder nicht.

Ich habe mich das schon Anfang der Neunziger gefragt, als ich hierher kam. Und das war nicht einfach zu definieren. Es war an Ende mehr eine bestimmte Art, ein bestimmter Geschmack, etwas subtiles und schwerer Fassbares als ein  Gericht. Meine deutschen Freunde mögen kein deutsches Essen und auch kein Schweinefleisch. Aber die sind wohl nicht ausschlaggebend.

Hier auf dem Dorf isst der typische deutsche Landwirt bestimmt gerne Kassler mit Sauerkraut. Sonst hockt er vor dem Fernseher, bekommt Hartz4 und fährt einmal die Woche zu Aldi. Er ist nämlich schon lange kein Landwirt mehr. Er hat keinen Bezug zur Erde, zur Natur, zu den Tieren, zu Traditionen. Er hat keine Bräuche mehr. Aber er hat noch den Kassler.

Einmal bin ich ins Heimatmusen Friesack gegangen weil ich eine örtliche Tracht sehen wollte, ich dachte, so würde ich ein Gefühl kriegen für die Geschichte des Ortes. Sie konnten mir leider auch keine Auskunft darüber geben und frage mich was der Flüchtling aus dem Nahen-Osten wohl denkt, wenn er so hinter Nauen aus dem Zugfenster schaut: leere Dörfer, leere Straßen ohne Dorfkneipe, ohne Dorfladen oder Dorfleben. Keine Pfeife rauchenden Männer, keine Kinderscharen, keine schwätzenden Frauen. Keine Kühe oder Hunde oder andere frei laufende Tiere. Kein Müll, kein aufsteigender Rauch, kein Feuergeruch.

Flachland mit Windrädern und Industrie.

„Es hagelt zumindest keine Bomben.“ – muss sich der Flüchtling dann immer wieder sagen, damit er sich freut. Dankbar sein, dass ihm der Himmel nicht auf dem Kopf fällt, während er in den brandenburgischen Spätwinter hinaus starrt.

Ich sehe diesen Flüchtling oft in der Regionalbahn. Meistens ist er mehrere und Männer und er freut sich kaum. Er ist unrasiert, trägt Plastiktüten, und sieht so ähnlich aus, wie ein Rumäne. Es ist ein bisschen so, als hätte mich meine alte Heimat wieder eingeholt. Ich habe diese Tütenmänner wieder an der Backe. Nur sprechen die jetzt auf ein mal alle Arabisch.

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Zwerg mit Zahnlücke http://www.hausdrachen.net/2016/02/26/zwerg-mit-zahnlucke/ http://www.hausdrachen.net/2016/02/26/zwerg-mit-zahnlucke/#comments Fri, 26 Feb 2016 14:05:50 +0000 Réka Kincses http://www.hausdrachen.net/?p=487 Weiterlesen ]]> „Und was sagen Sie zu der Flüchtlingskrise?“ – fragt meine Mutter, die schwarzen Haare stramm toupiert, der Lidschatten leuchtend grün, knallroter Lippenstift bedeckt die Vorderzähne. Auf ihre Frage folgt betretene Stille, drei deutsche Frauen schauen uns mit blauen Augen an und überlegen. Eine von ihnen ist meine älteste Freundin aus Berlin, ihre Mutter und ihre Schwägerin sind auch dabei. Mutter und Tochter schlank und sportlich, schlicht gekleidet, Hose, weißes Hemd, dagegen ist meine Mutter eine Matrone, in schwarz mit Glitzer, eine orientalische Erscheinung, die grade fünfundsiebzig Jahre alt geworden ist und ohne Falten im Gesicht.

„Diese deutschen Weiber sind alle sehr hübsch, auch die Alte, schlank, beweglich, keiner hat hier so einen dicken Arsch, wie wir“- bemerkt meine Mutter während meine Freundin eine gut überlegte Antwort zur Flüchtlingskrise ansteuert.

Sie sagt etwas sehr Intelligentes, etwas über die Folgen von Kolonialismus und europäischer Wirtschaftspolitik. Sie hat mal Ethnologie studiert, sie versteht was von tieferen Zusammenhängen. Ich finde es sehr interessant, was sie sagt, und bin ein bisschen aufgeregt. Es ist nicht das erste mal, dass meine Mutter diese Frage stellt, seit Tagen höre ich nichts anderes von ihr, sobald sie einen Deutschen sieht, fragt sie ihn nach der Flüchtlingskrise. Und ich muss übersetzen.

Meine Mutter ist politisch sehr interessiert. Seit sie in den Ruhestand gegangen ist, schaut sie sich jede Stunde im Fernsehen die Nachrichten an. Dabei trägt sie einen mehrfach geflickten Morgenmantel, Lockenwickler und isst Salzstangen. Die Salzstangen werden für sie extra von ihrer Haushälterin Edith zubereitet, sie hofft, wenn sie Salziges, statt Süßes nascht, wächst der Arsch langsamer. Zwischen den Nachrichten goutiert sie die politischen Talksendungen, Diskussionsrunden und Dokumentationen. Sie kennt alle Abgeordneten des Europaparlaments, Mitglieder des Europarates, des UN-Sicherheitsrates, der US-Regierung, der iranischen, irakischen, afghanischen, russischen  und israelischen Regierung, gefühlt persönlich. Sie schaut fünf rumänische und fünf ungarische Sender abwechselnd, sowohl staatliche als auch private. Mein Mann sagte einmal, ihre Kommentare solle man live schalten.

Weihnachten fing mit der Frage an meinen Mann an, der nach einem kurzen Seufzer seine absolute Solidarität mit der Kanzlerpolitik bezeugte. „Deutschland ist ein starkes Land, ein reiches Land. Deutschland kann helfen“ – sagte er, und meine Mutter hörte vollkommen unbeeindruckt zu. Mein Mann hält meine Mutter für eine ungarische Nationalistin, meine Mutter hält ihn für einen deutschen Schnösel, der ein bisschen ungebildet ist und keine Ahnung hat. Die beiden mögen sich.

„Aber wenn seine  Tochter Ungarisch besser kann als Deutsch, dann kriegt er Panik, obwohl er nix vom Nationalismus hält. Es gibt keine schlimmeren Rassisten als die Liberalen. Die wissen es nicht mal, dass sie es sind.“

Das ging so weiter mit meiner Schwiegermutter, ihrer Mitbewohnerin, unseren Nachbarn im Dorf, den Freunden meiner Schwester. Alle Deutschen mussten die Fragen meiner Mutter zur Flüchtlingspolitik beantworten. Mir war schnell klar, dass jeder das Gleiche sagt. Ihr leider auch. Denn es folgte ein Wasserfall von Spott.

„Die sind ganz schön eingebildet diese Deutschen. Deutschland ist reich, Deutschland ist stark. Die haben wohl die Nase ganz schön oben. Ich glaube nicht daran, dass Menschen so gut sind. “

„Deutschland ist ein reiches Land, ein starkes Land. Deutschland kann helfen“ – höre ich jetzt meine Freundin auch. Oh Gott denke ich, jetzt wird es schlimm, denn die Nacht, wo wir über die hirngewaschenen Deutschen diskutierten, ging so weiter:

Réka: Es kann nicht sein, dass ihr Null, aber auch Zero Mitgefühl habt. Dass es Euch scheißegal ist, dass diese Leute dem Tod von der Schippe springen, dass dort kleine Kinder und alte Leute…

Mutter: Kämpfen sollen die! Kämpfen um ihre Heimat! Was tun! Nicht einfach weglaufen!

Réka : Wie kannst du erwarten, dass Leute sterben, nur um…

Mutter: Die ganzen jungen Männer die sollten zu Hause für Freiheit kämpfen!

Reka: Und die Kinder? Und die Frauen?

Mutter: Ich bin auch nicht weggerannt und habe vierzig Jahre in einer Diktatur gelebt und war verfolgt!

Rèka: Aber Papa ist weggerannt, er war sechs Jahre lang politischer Flüchtling!

Mutter: Das ist was anderes!

Réka: Nein!

Mutter: Doch!

Réka: Nein!

Mutter: Doch!

Meine Mutter schaut wütend drein. Stur. Entschlossen bis zum bitteren Ende zu kämpfen. Niemals aufzugeben. Ganz schlimme Sachen zu sagen. Nix Mitgefühl. Krepieren.

Ich weiss schon lange, dass solche Gespräche nichts bringen. Ich höre auf und spüre, wie mir langsam die Tränen kommen.

Früher war meine Mutter eine leidenschaftliche Feindin des Kommunismus, ein stadtbekanntes Großmaul in Sachen Gerechtigkeit. Sie verteidigte Roma, die von der Polizei schlecht behandelt wurden, sie setzte sich für Rechtsstaatlichkeit ein, gegen Korruption und vor allem für die Rechte unserer armen, diskriminierten ungarischen Minderheit. Diese Gespräche über den Schmerz der Anderen führte ich mit ihr oft. Das kommt sogar in meinem Dokumentarfilm Balkan Champion vor. Dort habe ich Mitgefühl für die Rumänen, für die arme Mehrheit. Die hätten schließlich auch ihre Traumata. Wir beschimpfen uns gegenseitig als Faschisten, das Gespräch endet damit, dass ich aus ihrem Fernsehzimmer fliege. Anschließend nuckelt meine Mutter an einer Fischpastetentube, und das ganze Kino lacht.

Einmal, das ist lange her, haben wir uns über die Unterdrückung der Afrikaner so in die Haare gekriegt, dass ich eine halbe Nacht lang geweint habe. Danach besuchte mich im Traum ein Zwerg. Es war ein charismatischer und schöner Zwerg mit Zipfelmütze. Er schaute mich mit leuchtenden Augen an und lächelte. Ich sah zu meiner großen Überraschung, dass ihm vorne ein Zahn fehlt. Es war ein Zwergenkind mit Zahlücke.

Dieses Zwergenkind, taucht bei mir immer auf,  wenn es um Unterdrückte und Verfolgte geht. Es bringt mich dazu, zu weinen und das sind keine Tränen des Selbstmitleids. Es hat was mit Mitgefühl zu tun.

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20. März http://www.hausdrachen.net/2015/03/20/20-marz/ http://www.hausdrachen.net/2015/03/20/20-marz/#comments Fri, 20 Mar 2015 09:36:27 +0000 Réka Kincses http://www.hausdrachen.net/?p=479 Weiterlesen ]]>

Ich laufe zum Hauptplatz in die Menge hinein und bleibe stehen. Um mich herum wird wild gebrüllt. „Nieder mit ihm!“ –„Verschwinde Verräter“, Buhrufe und Schimpftiraden. Mein Vater steht auf  dem Steinbalkon des schönen, alten Rathauses  mit seinen Jugendstiltulpen. Grauer Märzhimmel, es weht ein eisiger Wind, der Hauptplatz ist mit Menschen gefüllt. In allen Fensterfronten hängen Menschentrauben, viele tragen noch ihre Wintermützen aus schwarzem Schafsfell, grimmige Gesichter, zwischen Barock und Jugendstil, altem Stuck und kaputtem Putz. Die Spuren einer vielversprechenden Vergangenheit, aus der nichts wurde. Mein Vater versucht etwas zu sagen, seine Stimme wird im Grölen und Beschimpfungen erstickt. Die spärlichen Haare kleben flach über seinem Schädel, eine  „Telefonfrisur“, sagt meine Mutter; sein  altes, grün-blaues Karojackett ist an den Ärmeln ausgebeult und zu kurz, die große Brille bedeckt halb sein gequältes Gesicht. Er versucht der Masse zu trotzen und redet weiter, man hört ihn nicht, sieht nur seine Mundbewegung, wie ein Fisch auf dem Trockenen,  es ist klar, dass es nicht lange gut gehen wird. Die Masse kann in das Gebäude eindringen und er wird in so viele kleine Teile gerissen wie die Karos auf seiner Jacke, und dann war´s das mit meinem Vater, tschüss, vor drei Monaten noch ein Held, bald ist er tot und meine Mutter gibt bestimmt kein gutes Bild ab als Witwe, und wir sind Kriegswaisen oder man bringt uns auch um.  Ich fühle mich als würde jemand kaltes, flüssiges Blei durch meine Adern fließen lassen, intravenös, ich werde vollkommen eingegossen in eine unendliche kalte Schwere, ich bewege mich nicht mehr und höre auf zu atmen. Ich starre meinen Vater an, als könnte mein Blick ihn schützen, dann in die schreienden Gesichter, offene Münder, bitte nicht umbringen, ich bin schließlich die Tochter und niemand will vor Zeugen töten. Doch niemand erkennt mich, niemand sieht mich. Durch den Lautsprecher rauschen Wortfetzen meines Vaters: „die Securitate und das Militär und die alten Machthaber… heizen die nationalistischen Gefühle an… um von sich selbst abzulenken … ihre Macht wieder zu stabilisieren… ich bin  Opfer einer Hetzkampagne… bitte hört mich an…“

Jemand berührt meinen Arm und lächelt freundlich. Ich zucke zusammen. Es ist Rita, meine Literaturlehrerin. Sie nimmt mich sanft an die Hand „komm mit, komm mal mit“ – und führt mich aus der Menge raus, ich folge ihr, wie fremdgesteuert, sie ist winzig klein und blond, ihre Lippen schwarz vom vielen Rauchen. Sie begleitet mich lächelnd, mit leichten Schritten. „Was machen wir jetzt“ – frage ich und finde es ganz erstaunlich, dass sie lächelt, vielleicht ist sie verrückt geworden, denke ich – „Wir gehen jetzt schön nach Hause“ – sagt sie, und das Lächeln weicht ihr nicht von dem Gesicht.

Wir laufen die kleinen Straßen entlang, nach Hause. Tante Rita an meiner Seite.  Der Bürgersteig ist schmal und an vielen Stellen aufgebrochen. Ich kenne jede kleine Ritze, jedes Blumenbeet an den Seiten, die Krokusse blühen schon,  obwohl es kalt ist, die Sträucher sind voller Knospen und leuchten hellgrün. Es riecht nach nasser Erde, nach Blumen und Schlachthof. Die Einfamilienhäuser sind hoch umzäunt, die Gärten dahinter kann man nur erahnen, aber ich weiß , wie sie aussehen, ich kenne die Rosen, den Flieder, die Hortensien und den Wein über jeder Veranda, jeden mit Plastik bedeckten Gartentisch. Vom Hauptplatz hört man die Menge immer noch grölen.

Piri, unsere Haushälterin mit hübschem Gesicht und dickem Arsch, öffnet die Tür. Ich sehe den verschmierten Lippenstift um den Mund und die wuscheligen Haare, mit einer flachen Stelle am Hinterkopf, als wäre sie grade  aufgestanden. „Piri ist nicht ganz koscher“ – pflegt meine Mutter zu sagen, „wer weiß, was sie den ganzen Tag macht“, aber ich will es nicht hören, weil ich sie mag. Sie läuft vor uns in die Küche, sie scheint ganz entspannt zu sein, als wäre sie im Urlaub und nicht in einem wild gewordenen post-kommunistischen Kaff, mit zwei Nationalitäten die sich hassen, und die die Last von vierzig Jahren Unterdrückung genau heute oder morgen loswerden wollen und sich schon mal warmbrüllen und warmschwingen mit Stöcken und Knüppeln für die ganz große Befreiung, nach der nichts mehr übrig bleiben wird. Und das zwei Straßen weiter auf unserem Hauptplatz. Die Wohnung ist aufgeräumt und die Suppe muss schon seit längerem fertig sein. Eine dünne Fettschicht liegt auf ihrer Oberfläche, wie die Haut einer alten Frau. Ich setze mich, Tante Rita auch, sie will nichts essen, aber gehen will sie auch nicht, ich glaube sie macht sich Sorgen um mich. Sie zündet sich eine Zigarette an und ich löffele die gelbe, lauwarme Suppe, die genauso schmeckt wie alle anderen Suppen hier, Piri kocht wie alle anderen Frauen vom Dorf, die bei uns kochen, seit ich mich erinnern kann, weil meine Mutter sich aus Prinzip nicht um den Haushalt kümmert. Ich lächele Piri an, sie zwinkert mir zu: „Schmeckt es?“ – fragt sie und strahlt und ich nicke. Es schmeckt mir wirklich, dieser Geschmack ist für mich Heimat, auch die Fetthaut auf der Oberfläche. Ich weiß es nicht, dass ich  Piri  heute das letzte Mal sehe, dass sie gehen, ein wenig Goldschmuck mitnehmen und nicht wiederkommen wird, genauso wie viele enge Freunde, die uns ab heute nie wieder besuchen und die uns nicht mehr anrufen werden. Es wird nichts mehr sein wie es war und keiner weiß es. Ich schaue auf die sonnendurchflutete Terrasse und löffele die Suppe aus. Das Ende meiner alten Welt ist strahlend und schmeckt nach Mehlschwitze.

 

Heute vor 25 Jahren, am 20. März 1990 gab es in meiner Heimatstadt Targu-Mures, Rumänien, nach langen Monaten von Protesten, Demos und Gegendemos, sowie nach einer pogromartigen Ausschreitung gegen die ungarische Bevölkerung am 19. März eine blutige Straßenschlacht zwischen Rumänen und Ungarn. Militär und Polizei haben die Eskalation nicht verhindert, sondern mit angeheizt. Es herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände. Warum das alles passiert ist, darüber wurde viel geschrieben. Filme wurden gedreht. Für mich ist dieser Tag aber Familiengeschichte. Mein Vater musste fliehen, er kam Jahre später wieder, als seine Töchter schon erwachsen und nicht mehr zu Hause waren. Alle Machtstrukturen haben sich neu formiert. Alte Freundschaften lösten sich auf.  Die Ungarn und die Rumänen flüchteten in parallele Welten, um ihren Hass seltener spüren zu müssen. Und Rumänien ist immer noch ein rassistisches Land.

Der 20. März 1990 war für mich und für viele andere einer dieser Tage, an denen eine Welt aufhört zu existieren. In diesem Fall die Welt einer friedlichen, kleinbürgerlichen, siebenbürgischen Stadt mit ihren durch den Kommunismus konservierten, alten Werten.

Es war besonders warm und sonnig. Ohne Sonnenfinsternis.

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Warning. He may bite. http://www.hausdrachen.net/2014/09/15/warning-he-may-bite/ http://www.hausdrachen.net/2014/09/15/warning-he-may-bite/#comments Mon, 15 Sep 2014 10:46:29 +0000 Réka Kincses http://www.hausdrachen.net/?p=475 Weiterlesen ]]> Ich schließe die Tür auf und lächele verkrampft. Mütter sollen lächeln, wenn ihre Söhne von der Schule nach Hause kommen, oder wenn überhaupt ihre Kinder nach Hause kommen, Mütter sollen sich freuen. Denn Mütter, die lieben ihre Kinder und das gilt sogar für mich. Und wer liebt, der freut sich, und steht voller Freude da, voller Interesse und so, wenn das Kind nach einem langen Tag nach Hause kommt, mit dicken Ranzen auf dem Rücken, voller Fragen, wie „Wie war es heute in der Schule? Erzähl mir doch mal was. War es gut? Was war heute los? Haben dich die großen Jungs wieder geärgert? Lauter Fragen, die Kinder hassen, und nie richtig beantworten, dazu gibt es sogar Statistik, nur was man sonst so fragen könnte, das steht in keiner Statistik. Soll man überhaupt Fragen stellen oder ist es besser, wenn Mutti lächelnd schweigt, oder schweigend lächelt, denn so kann in der Stille die wirkliche Nähe entstehen. Das habe ich auch mal versucht, dann sagte mein Sohn erst: Was ist los? Später: Was guckst du so? Zum Schluss: Darf ich bitte zu Dustin?

Und weg war er für den ganzen Nachmittag. Bei Dustin, der vermutlich genau weiß, was Schulkinder so interessiert.

Vielleicht sollte ich versuchen wirklich spannende Fragen zu stellen, wie zum Beispiel: Möchtest du eine Samsung Galaxy S5 und zwar heute? Hast du Lust auf Gummibärchen? Soll ich dir meinen Laptop geben, damit du den ganzen Nachmittag zocken kannst?

Das alles würde reges Interesse verursachen, ist aber ungesund.

Oder: Wann werden die Außerirdischen die Macht übernehmen?

Auch das könnte zu einer angeregten Kommunikation führen, allerdings müsste ich dann den ganzen Nachmittag Außerirdische spielen, was zwar gesund ist, ich aber keine Zeit dafür habe.

Schließlich könnte ich einfach von mir reden und persönliche Frage stellen, wie: was würdest du dazu sagen, wenn Mama sich an einem Baum erhängt, weil sie keine Lust mehr hat Mutter auf dem Land zu sein, Briefe vom Finanzamt zu kriegen, sich immer nicht entscheiden zu können, an welchem Scheißprojekt sie jetzt weiterschreibt, weil sie dieses Kleinteilige Leben, seit sie keine Typen mehr so leicht aufreißen kann, überhaupt nicht  toll findet. Würde dich das traurig machen?

Das könnte auch eine interessante Frage werden, nur sie ist leider zu lang für so ein kleines Kind.

Der Sohn ein kleiner, blonder, zierlicher Kerl, dem vorne fast alle Zähne fehlen, ein tapferes Schneiderlein, nähert sich mit düsterem Gesichtsausdruck seiner lächelnden Mutter, er ruft noch etwas nach hinten, mehrere Kinder gehen in mehrere Häuser hinein, alles Dorfkinder, die ich nett finde, wenn sie mit meinem Sohn spielen, sonst finde ich sie genauso dumm und uninteressant, wie ihre Eltern, denn Hochmut kommt nicht erst vor dem Fall, sondern war immer schon da und wird vermutlich immer bleiben, jedenfalls bei mir. Er läuft die Treppe hoch, bleibt vor mir stehen und sagt entschieden:

Heute gibt es eine fette Regenwolke!

Ich schaue nach oben, der Himmel blau, die Sonne strahlt. Blicke fragend zurück.

Ja. Und die musst du unterschreiben.

Langsam dämmert etwas, doch bevor ich eine Frage stellen könnte, quetscht er sich an mir vorbei.

Wie lange habe ich Zeit, bis wir losfahren, darf ich zu Dustin?

Öhm, sag erst mal schön Hallo, komm in Ruhe rein, und dann sehen wir weiter – sage ich, ganz wie eine Mutter, ruhig und besonnen, ich muss hier schließlich den Rahmen herstellen, in dem sich mein Kind seelisch entfalten kann. Er gibt mir schlecht gelaunt einen Kuss und trottet Richtung Küche.

So, und was ist das mit der Regenwolke?

Ich habe zwei Jungs gebissen – antwortet er- aber ich war alleine gegen die ganze Klasse, alle haben auf mich eingeschrien, keiner war mit mir, nur die Mädchen, und selbst die großen haben sich eingemischt und ich habe nur aus Versehen gebissen.

Ich lächele immer noch, denn auch vorher hatte ich keine wirkliche Lust zu lächeln, dann macht das jetzt auch keinen Unterschied mehr.

Was genau ist passiert? – Kannst du mir das bitte erzählen?

Wir erreichen inzwischen die Küche, wo meine Freundin Ute am Herd steht und an ein salziges Reisgericht rührt. Sie ist aus Bayern zu Besuch und hat mir gerade zuvor gesagt, was ich für eine tolle Familie hätte und die Kinder seien der Wahnsinn und das ich ganz zufrieden sein kann.

Das mit dem Wahnsinn erscheint mir jetzt in einem ganz anderen Licht.

Ich habe die Leila getackt – der Sohn redet schnell, wie jemand, der das ganze hinter sich bringen will -  aber nur so, schau mal, nur so – er zeigt mir eine zarte Handbewegung- und dann fing sie an zu heulen, und dann kamen sofort die anderen, und haben mich angeschrien, dass ich sie in Ruhe lassen soll, dabei habe ich gar nichts gemacht und das war nur eine Sache zwischen mir und Leila, und ich habe ihnen gesagt, haltet euch da raus, aber sie wollten sich da nicht raushalten, und dann bin ich immer wieder weggerannt und dann habe ich sie gebissen.

Äh… und warum bist du weggerannt? Und warum hast du sie gebissen?

Weil sie sagten ich soll mich beruhigen, aber ich kann mich dann nicht so schnell beruhigen, da müsste ich zum Doktor damit er mir Pillen gibt. Beruhigungspillen.

Ute schaut wohlwollen lächelnd vom Herd rüber, wie jemand die sich entschieden hat, in unserer Familie alles gut zu finden, egal was passiert, aus reiner Zuneigung. Sie würde mich vermutlich auch im Knast besuchen wenn ich mal in einem dieser Momente in denen ich mich nicht beruhigen kann das Haus anzünden würde. Ich dagegen habe Schwierigkeiten, der Erzählung meines Sohnes zu folgen, denn bestimmte Gedanken fordern auf einmal ganz viel Platz in meinem Kopf. Zum Beispiel:

Ich gebe mir aber so viel Mühe, trotzdem mache ich alles falsch.

Ich brülle viel zu oft.

Vielleicht sollte er doch in die Waldorf Schule.

Alles kein Wunder, bei den Eltern, vor allem bei dem hysterischen Vater.

Die Schule ist Kacke, die Lehrerin doof.

Alle anderen Kinder sind blöd.

Mein Sohn hat eine Vollmeise und dafür kann nur ich etwas.

Wären wir nur in Berlin geblieben.

Wenn das meine Eltern wüssten.

Ist mein Sohn jetzt unglücklich?

Oh Gott, wie kann ich ihn trösten.

Früher war er noch ganz normal, aber meine Hysterie hat ihn verrückt gemacht.

 

Hast du das der Lehrerin erzählt? – frage ich.

Nein.

Warum nicht?

Weil die anderen schon alles erzählt haben, als ich in die Klasse kam.

Hast du deine Version nicht erzählen können?

Er schüttelt den Kopf und spielt mit einem geliehenen Auto.

Warum  nicht?

Weil die anderen alles richtig erzählt haben. Darf ich jetzt zu Dustin?

Öhm…. Noch nicht.

Manno!

Ich habe so ein Gefühl im Körper, das man manchmal in Träumen hat, wenn man losrennen will und die Beine bewegen sich nicht, oder nach etwas greifen will, aber die Hände sind wie gelähmt und im Herzen spielt jemand Bleigießen.

Er packt seine Tasche aus, und zeigt mir sein Heft mit der weinenden Wolke. Der Tag davor Sonne, und davor auch Sonne, und nur Sonne bis zum Heftanfang.  Ute schaut gelassen hinein.

Na bitte schön – sagt sie – da darf das Wetter auch mal schlecht werden.

Ich lache verkrampft. Das stimmt zwar, mit der vielen Sonne und überhaupt ist er der Beste in der Klasse und bekommt immer viel Lob, aber wenn das jetzt ab heute nur noch so geht? Und wenn er ab jetzt sich jeden Tag nur noch mit der gesamten Klasse prügelt? Und wenn ihn keiner mehr mag? Wenn heute der Tag ist, ab dem alles nur noch schief geht? Das erscheint mir sehr realistisch, das würde genau in meinem Weltbild passen. Das war doch bei Hiob auch so. Und mein Glaube hat nicht mal die Größe von einem Katzenfloh im Verhältnis zu seinem.

Kleine Jungs kloppen sich, das ist ganz normal – sagt Ute – hat meiner auch gemacht.

Mich kann aber nichts beruhigen. Vielleicht sollte ich eine Pille nehmen. Oder zum Doktor gehen.

Sohn, du musst lernen, dich zu beruhigen – sage ich – und dich nicht so in Dinge hineinsteigern.

Er schüttelt entschieden den Kopf: Das kann ich nicht.

Und warum hast du der Lehrerin nicht erzählt, wie das aus deiner Sicht war?

Sie glaubt mir eh nicht.

Was glaubt sie dir nicht?

Das ich nur aus Versehen Gebissen habe.

Aha?

Ja, ich habe nur grade meinen Mund zugemacht, und genau dann war ein Arm dazwischen…. Und das zweite mal auch.

Die Ute schaut mit Anerkennung rüber und lacht. Ich bleibe ernst, wie eine Mutter, die erziehen muss. Nehme einen tiefen Atemzug.

Also, das kann ich dir auch nicht glauben.

Der Sohn schaut mich entgeistert an und fängt sofort zu flennen an.

Siehst du, nicht mal du  glaubst mir!

Was ich jetzt sinnvolles tun könnte, steht wirklich in keiner Statistik. Denn ich weiß, es gibt viele Wahrheiten. Sehr viele.

Das weinen dauert recht kurz. Er wischt sich die Tränen von den Augen und fragt:

Darf ich jetzt zu Dustin?

 

Später sind wir in einem Second Hand-Laden. Die Jeans , die ich für ihn ausgesucht habe, gefällt ihm nicht. Er schaut die Reihe durch, holt eine blaue Stoffhose von der Stange, die er unbedingt haben will, mit einem Tiger  am rechten Bein. Die Hose passt, wir kaufen sie und laufen fröhlich die Straße entlang.  Ich bleibe ein bisschen zurück, schaue auf seinen Hintern. Da lese ich etwas, dass ich vorhin gar nicht entdeckt habe:

Warning. He may bite – steht dort geschrieben.

 

 

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Mein Sommer mit A. http://www.hausdrachen.net/2014/09/08/mein-sommer-mit-a/ http://www.hausdrachen.net/2014/09/08/mein-sommer-mit-a/#comments Mon, 08 Sep 2014 09:57:16 +0000 Réka Kincses http://www.hausdrachen.net/?p=467 Weiterlesen ]]> „Du kannst mich auch mal besuchen“, sage ich.

„Ich habe keine Zeit um aufs Land zu fahren, ich bin immer nur kurz in Berlin“, antwortet er und stochert in seiner Fetuccini mit Parmesan in Tomatensoße. „Außerdem habe ich dich schon drei mal besucht…“

Es ist heiss, wir sitzen beim Italiener, draußen auf einer kleinen Piazza in Kreuzberg. Schattige Bäume, Karodecke auf dem Tisch, Tafelwein, Espresso. Fast wie im Süden, fast wie im Urlaub, fast glücklich.

Ich zähle nach, aber ich kann mich nur an ein einziges Mal erinnern, wo A. mich auf dem Land besuchen kam. Paar Tage nach dem Kaiserschnitt, ich lag nach schweren Blutverlusten flachatmig und blass im Souterrain unseres neuen Zuhauses,  in meinem ersten Schlafzimmer, mit zwei Nachtschränken und einem Garderobenschrank, die Bilder ordentlich gehängt, mit Rahmen, statt schräg klebende Plakate und Zettel, keine Bücherhaufen mehr auf dem Boden, die als Tisch dienen, die Austattungsteile aus frühen Filmen sind abgeblieben, das Plakat mit den vergrößerten Grashalmen, der Riesenfuchs, Tariks glitzernde Stehlampe, Christian in Schlaghose mit der Farbpalette in der Hand. Die Anjas, Annettes und Oskars die umsonst und voller Hoffnung bei meinen Filmen mitgearbeitet hatten, die meine besten Freunde für einen Sommer waren, wurden schon lange aus dem Adressbuch gelöscht.

Nur A. war noch da, er war mein bester Freund. Mit ihm wollte ich mein Leben verbringen, denn eine gute Freundschaft kann viele Affären überleben und auch einige Ehen, dachte ich, eine gute Freundschaft begleitet einen bis in den Tod.

Ich konnte mir kaum einen Tag vorstellen, an dem er nicht anrufen und mit lang gezogenen Vokalen und Schweizer Sing-Sang „Hellöööö hier ist der AAAA….“ sagen würde, und fragen ob ich schon zu Mittag gegessen hätte, ob wir Kaffee trinken oder einen Film gucken wollen, wann wir den Stoff weiter entwickeln über das böse Ausländermädchen das als Babysitterin Unfug in deutschen Haushalten treibt.

Es gab Zeiten, da wollten A. und ich jeden unserer zukünftigen Filme zusammen machen.

„Na und, du kannst mich trotzdem mal wieder besuchen“ – wiederhole ich, wie eine Seilkünstlerin, die gerade versucht den dünnen Streifen unter ihren Füßen wieder zu finden, oder eben wie jemand, der nie gelernt hat die Veränderungen des Lebens mit Würde zu nehmen. Ich hoffe heimlich dass es einen guten Grund gibt, warum wir uns kaum noch sehen, kaum noch sprechen, warum wir keine Pläne mehr zusammen haben, denn ein Grund ist immer noch tausend Mal besser als kein Grund.

„Hab dich schon mal besucht “ – sagt er stur, als wäre ein Besuch etwas, was man nur einmal im Leben absolvieren muss, wie ein Erbe, der seinen Pflichtanteil abholt.

Wir hatten die skurrilsten Dinge zusammen erlebt.

Es gab einen Sommer, da besuchten wir in der größten Sommerhitze alle SM Schuppen der Stadt, um Protagonisten für unseren Filmhochschulen – Geburtstagsfilm zu finden, denn dass ein Filmstudium einer sado-masochistischen Veranstaltung ähnelt, darin waren wir uns einig. Wir besprachen unsere Schlachtpläne Vormittags im Badeschiff, in einem mit Chlor vollgepumten Schwimmbecken mitten in der Spree, Schulter an Schulter mit drogengeschädigten Touristen, Blick auf den verlassenen Industriehafen, der grade hip geworden war. Ich konnte bald nicht mehr sitzen, weil mir zwei riesige Eiterbeutel an einer bestimmten Stelle wuchsen, wo ich den Eindruck bekam, mir wachsen die Eier und ich werde jetzt Mann.

A. war bei all diesen Entwicklungen im Detail involviert, denn er war nicht nur mein bester Freund sondern auch meine beste Freundin.

Meine persönliche SM Veranstaltung, mit den eiergroßen Geschwüren auf dem Fahrrad bis zum nächsten Schuppen, wo entweder ein alter Mann eine junge Japanerin auspeitschte oder sie fesselte, oder sich zwei Mädels mit Wäscheklammer gegenseitig in Igel verwandelten oder unten ein Puff war, oder alles zusammen, begleiteten A—s schallende Gelächter und sein immer verständnisvoller Blick. Wir bekamen sogar ein handfestes Angebot zum Geldverdienen, als Regie-Kamera Duo,  SM-Schwulenpornos, finanziert von einem Laden aus Spandau, der Besitzer blond und lockig mit John Lennon-Brille und Kunstverständnis.

„Warst du schon mal bei mir in der Schweiz?“ – erwidert er und sagt, es sei ihm zu nervig aufs Land zu fahren, wenn er nur kurz in Berlin ist, außerdem wäre er auch schon Mal in Rumänien gewesen wegen mir, er schulde mir also nix, er habe viel zu tun. Und er hätte sich genug nach mir gerichtet während unserer Arbeit an dem Spielfilm.

Das vielleicht sein ein Grund, denke ich, mit einer kleiner Erleichterung.  Es gibt bei mir eine Stelle in der Brust, ganz in der Mitte, da wo der Atem die Magengegend berührt, da fällt alles hinein, was vorbei ist und was ich einmal liebte. Das ganze Gewicht Vergangener Dinge hat sich dort angesammelt, ich spüre, wie sich das Loch öffnet, um A. auf Nimmerwiedersehen zu verschlucken und  nippe an meiner Apfelschorle.

Ich habe oft versucht A. auf das Schwinden unserer Freundschaft aufmerksam zu machen, doch er verstand nie, was ich meinte.

Kreuzberg

Volle Fahrradwege

Mittagstisch plus Espresso für ein Zehner

Der kleine Bioladen an der Ecke zu Skalitzer, warte draußen bis ich Milch geholt habe

Lange Gespräche über die Nouvelle Vague

Über Shermans March und die Kunst sich selbst zu filmen

Billiger Rotwein

Eiszeit Kino

Lange Gespräche darüber, wie er mal wieder eine Freundin findet

Lange Gespräche über den ständigen Stress mit meinem bereits Ehemann

Über das I-Ging, Tarot, über Schicksal, Heldenreise und den lieben Gott

Ein Mann der gleichzeitig eine Esotante ist.

Die Mischung machts.

Aufenthalte am Badesee

Risotto mit geriebenem Käse und Zitrone

Weiss gestrichene Dielen

Träume von Cannes und Locarno

Ich war auch mal mit einem dummen Schweizer zusammen.

Die Angst alleine Alt zu werden

Wir bestellen einen Espresso. Der Sommer ist immer noch wunderschön. Es ist nicht der gleiche, lange Sommer mit A. zwischen Badeschiff und SM Schuppen, zwischen meinem dunklen, mit Teppichen vollgestopften Wohnzimmer in Kreuzberg und der nächsten Kneipe, zwischen großen und noch größeren Hoffnungen. Auch nicht das verregnete Frühjahr in Stuttgart, mit  ungarischen Exilanten und deren Theatergruppe,  der Hügel mit dem Waldorfzentrum, der Lammbraten von Hanni, oder das verlassene Haus meiner Cousine in der süddeutschen Pampa. Aber, es ist immerhin einer.

„Ich mache mir keine Sorgen, denn wenn Du etwas lösen willst, dann bist du so lange dran, bis du es gelöst hast“ – er sitzt  entspannt  im Liegestuhl während mich die argsten Sebstzweifel plagen. Ich hatte immer das Gefühl, das er derjenige war, der am meisten an mich geglaubt hat.

„Ich muss mich jetzt beeilen, ich fahre aufs Land“ – sagt er – „eine Freundin besuchen“. Der Widerspruch fällt ihm nicht auf. Oder der Verrat.

Es ist nicht passiert. A. wohnt jetzt in mir, in diesem Raum zwischen Zwerchfell und Bauchdecke, zusammen mit allen die ich nie loslassen konnte. Dort braucht man keine Angst zu haben, alleine Alt zu werden, dort werden viele gute Filme gedreht, Romane geschrieben, dort hat man Geld ohne Ende und  ist in bester Gesellschaft. Und ich mochte katholische Kirchen immer mehr als protestantische, wegen den vielen Bildern an der Wand.

A. hat schon lange eine Frau gefunden, mit der er glücklich ist. Er ist weggezogen, zurück in seine Heimat. Er dreht viel und ist ein gefragter Kameramann. Er revolutioniert die Filmindustrie mit anderen und woanders. Und ich verbringe mein Leben nicht mit A.

Und nicht jede Freundschaft kann eine Ehe überleben.

 

 

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Die ungarische Salami http://www.hausdrachen.net/2014/04/03/die-ungarische-salami/ http://www.hausdrachen.net/2014/04/03/die-ungarische-salami/#comments Thu, 03 Apr 2014 08:11:25 +0000 Réka Kincses http://www.hausdrachen.net/?p=462 Weiterlesen ]]> Mit der ungarischen Salami habe ich nichts zu tun. Das möchte ich gleich mal zu Anfang festhalten. Denn, die ungarische Salami kommt aus Ungarn, ich aber nicht. Damit sei alles gesagt.

Oder fast alles. Mit Marshmellows zum Beispiel habe ich auch nichts zu tun, denn sie finde ich eklig und sie kommen auch von ganz woanders.

Manchmal habe ich bei Aldi doch mit ungarischer Salami zu tun. Die befindet sich in den mittleren Regalreihen,  ganz unten. Das ist in jeder Aldi Filiale so. Sie ist eine von den billigsten Salamisorten, aber sie lohnt sich wirklich. Wegen ihrem penetranten Geschmack hält sie sich ewig,  man kann nur wenig davon essen. Das ist die Gourmet-Seite der ungarischen Salami. Aber ich will hier keine Werbung machen. Sowieso hat alles mehrere Seiten.

Neulich war ich zum Beispiel in Steckelsdorf.

Steckelsdorf ist ein Dorf direkt hinter Rathenow, welches wiederum eine Stadt  in Brandenburg ist. Brandenburg ist das Land um Berlin herum.

Steckelsdorf hat ein Eiscafé, Familienbetrieb seit 1952 mit selbstgemachtem Eis, das Eiscafé Schwarz.

Das sind so die Orte, wo ich mich in der letzten Zeit herumtreibe. Warum ich das tue, das weiß ich selber nicht. Denn, nur ich kann es wissen, aber mich kenne ich nicht. Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich mir noch nie begegnet bin. Und eine Wildfremde anzusprechen, fällt selbst mir schwer.

So sitze ich Steckelsdorf, im Eiscafé Schwarz, vor mir ein heißer Apfelstrudel, mit zwei Kugeln Vanilleeis, neben mir meine Tochter im Kinderstuhl, bis an den Haaransatz mit Erdbeersoße beschmiert, gegenüber meine Freundin P. mit einer gut erkennbaren Vokuhila , blondiert und mumifiziert seit 1986. Die Einrichtung ist in Gelbtönen gehalten, die Deckchen, die Wand, die Teppiche, alles sehr sauber und freundlich. Omas wie nach einem Fotoshoot für den Otto-Katalog, kleine Spielecke. Statt Garten ein Parkplatz mit ganz-ganz vielen Autos. Ich höre meiner Freundin P. zu. Die perfekt zu der Einrichtung passt und frage mich, wie ich hier gelandet bin.

Steckelsdorf hat einen sehr schönen Badesee, das hat mir die sehr nette Bedienung erzählt, eine kurvige Hauptstraße, große Bauernhäuser links und rechts, Brandenburger Gründerzeit, eine Gaststätte, ein ehemaliges Pionierlager und ganz viele Plakate für die NPD, praktisch auf jedem Strommast. Das ist sicher nur vorübergehend so, denn das habe ich schon mal erlebt hier, vor den letzten Wahlen. Dann sind sie verschwunden und die NPD hat nirgendwo einen nennenswerten Sieg errungen, was ich sehr schade finde. Denn die NPD sagt über andere auch nichts anderes als ich über die ungarische Salami. Kommt von woanders her, hab ich nichts mit zu tun.

Ich will hier keine Werbung für die NPD machen, aber es ist so, dass sie manchmal meine letzte Hoffnung sind. Ich hoffe nämlich, dass sie ganz stark werden und mich endlich nach Hause jagen.  Dann muss ich niemandem etwas erklären, Familie, geschenkt, denn wenn einer verfolgt wird, dann muss er fliehen. Das wissen wir mittlerweile, dass es besser ist. Dann zählt auch kein Ehemann keine Firma und nix.  Herrlich. Über Nacht Sachen packen und weg! Und dann weiß ich zumindest warum ich da bin, wo ich bin und nicht woanders.

Das hat aber nix mit der ungarischen Salami zu tun. Oder doch? Wenn alles mit allem zusammenhängt, dann steckt auch in Steckelsdorf etwas ungarische Salami. Zumindest in einer Alditüte, auf einem Küchentisch. Das sind so die Orte, wo sich Kulturen berühren.

Ich möchte sagen, ein Ausflug nach Steckelsdorf lohnt sich. Im Sommer wenn man mal nicht weiß wohin, dann auf nach Steckelsdorf.  Baden, Eis essen. Das dürfte ein Grund sein, der zumindest einen Nachmittag lang, einem sinnvoll erscheint.

 

 

 

 

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Das Putzgen http://www.hausdrachen.net/2014/03/17/das-putzgen/ http://www.hausdrachen.net/2014/03/17/das-putzgen/#comments Mon, 17 Mar 2014 10:19:12 +0000 Réka Kincses http://www.hausdrachen.net/?p=458 Weiterlesen ]]> Papa, würdest du bitte die Küche fegen?- frage ich meinen Vater. Er sitzt am runden Tisch, zwischen dreckigen Tellern, abgenagten Knochen und sonstigen Resten eines Festmahls, den ich extra für ihn veranstaltet habe, denn er ist nicht alle Tage in Berlin. Er trinkt ein Schlückchen aus seinem Slivovic, atmet gut hörbar durch, wie das nur Leute mit  großem Resonanzkörper und chronisch verstopfter Nase können, und antwortet nicht.

Ich räume die Teller zusammen, werfe die Knochen weg, spüle. Mein Mann bringt die Kinder ins Bett, meine Schwester macht die Betten. Papa gießt sich wieder Schnaps ein, und schaut fröhlich in die geschäftige Runde.

„Weißt, du, was der Präsident der rumänischen Akademie für eine dunkle Gestalt ist?“ – fängt er mit seinem Lieblingsthema an, nämlich Rumänien und die Politik, und der Antidiskriminierungsrat in Bukarest, wo er als Anwalt Dauergast ist. Er vertritt Menschenrechtsverletzungen auch oft  unentgeltlich oder aus eigener Initiative. Alles und jeder, der sich rassistisch, minderheitenfeindlich oder einfach nur schwer ignorant verhält, wird von meinem Vater bei der Kommission angezeigt. An sich eine sehr ehrenwerte Sache.

„Ich meine dunkel im Kopf…“ – fährt er fort und schüttelt seinen. „Lieber Gott, in der Rumänischen Akademie herrscht noch Mittelalter…“

„Also Papa, fegst du, oder was passiert“ – ich falle ihm ins Wort und bin fest entschlossen dieser Sache mit dem Fegen heute endgültig auf den Grund zu gehen.

„Ich kann nicht fegen“ – antwortet er und das habe ich ohnehin geahnt. Denn ich sah ihn noch nie im Leben mit einem Besen in der Hand. Oder mit einem Putzlappen. Oder mit einem Waschlappen. Beim Wäschefalten, oder beim Bügeln. Umso häufiger sah ich ihn beim politische Diskurse führen, etwas rigoros zu Ende erklären, recht haben oder recht haben wollen, mit Bärenschritten und Aktentasche in der Hand durch die Straßen laufen, seinen Anwaltstalar in einer Plastiktüte baumelnd. Im Büro sitzen, und profilaktisch „Aha und Ühüm“ sagen, für den Fall, dass ihn jemand etwas gefragt hätte.

Ich sah ihn aber auch beim Rock´n Roll tanzen oder  zu viel Schnaps beim Schweinschlachten trinken. Manchmal beides zusammen.

Im Sitzklostil Skilaufen. Nach dem Mittagessen zehn Minuten schlafen, immer im Pyjama.

Vor riesigen Massen reden halten. Im Fernsehen Statements abgeben.

Aber fegen? Das nicht.

Neulich wurden dank seiner Anzeige der Bürgermeister unserer siebenbürgischen Kleinstadt, die gesamte Stadtverwaltung, ein Freizeit-Radiosender und dessen Sprecher wegen Diskriminierung zu Geldstrafen verurteilt. Und das nur, weil sein Enkelsohn, also mein Sohn, im Sommer im Freibad verloren ging und der Moderator von “Radio Ferien“ sich weigerte, einen Hilferuf auf ungarisch oder auf Deutsch zu entsenden, also auf einer Sprache, dass das betroffene Kind auch versteht. „Hier spricht man nur Rumänisch“ – donnerte er, woraufhin mein Vater einen Zettel nahm, seinen Namen aufschrieb und ging.

Ich glaube dass dieser Moderator am nächsten Tag in einen Schock verfiel, wovon er sich bis heute nicht erholt hat, als er beim morgendlichen Kaffee in die Zeitung sah und was las? Dass er einem Kleinkind in einer Notsituation die Hilfe verweigerte, im rigorosen Festhalten daran, nur rumänisch sprechen zu wollen.  Und als er dann das Radio einschaltete um stündlich die Ansage über sich selbst zu hören, und im Internet den Shitstorm sah, da brach für ihn eine Welt zusammen. Die nämlich einer rumänischen Kleinstadt, in der man alles unbestraft machen, Menschenrechte mit Füßen treten, Minderheiten diskrimnieren, Steuern hinterziehen, sich mafiös organisieren und an der Korruption beteiligen kann, ohne jemals dafür belangt zu werden. Denn nun, das erste mal in seinem Leben, wurde er für ein Unrecht, das er getan hatte, zur Rechenschaft gezogen. Und mit ihm sein Sender, die für den Sender zuständige Stadtverwaltung und der dafür zuständige Bürgermeister.

Dass dieser Moderator selber ein Ungar ist, wie sich bald herausstellte, der sich als rumänischer Nationalist ausgibt, tut nichts zur Sache. Außer, dass es die dostoiewskischen Abgründe einer Gesellschaft zeigt, in der ethnische Konflikte zur Normalität gehören.

Mein Sohn tauchte im übrigen kurze Zeit später auf, und alles war mit ihm in Ordnung.

„Ich kann’s dir zeigen, wie fegen geht.“  – sage ich meinem Vater und  denke darüber nach, dass ihm mein Lammbraten wieder nicht geschmeckt hat, und die Suppe erst recht nicht, denn er sagte ständig, dass es „interessant“ sei.

Meinen  Spielfilm verstand er auch nicht, angeblich weil dort zu Hälfte deutsch gesprochen wird. Englische Untertitel bringen da auch nichts. Die einzige Fremdsprache die er spricht ist rumänisch.

In meinem Dokumentarfilm fühlte er sich falsch dargestellt.

Den Rest hat er gar nicht gesehen.

Er fand es nur tragisch, dass nicht mal irgendwas von mir auf der Berlinale lief. Oder in Cannes. Das hätte ihm dann doch Freude bereitet, vor allem die Szene, wie ihn Leute auf dem Markt anhalten und fragen, wie es seiner Tochter geht und er darauf antwortet: Danke gut, ihr Film läuft gerade in Cannes.

Ich nehme den Besen in die Hand, und mache ein paar deutliche Bewegungen in seine Richtung.

„Lass mal. Fegen ist nichts für mich“

„Warum nicht?“

Achselzucken, schweigen.

„Ist in Ordnung, aber ich möchte zumindest von dir hören warum. Eine Erklärung wissen. Du musst dir da schon etwas dabei gedacht haben. Du hast doch immer eine logische und plausible Erklärung…. Du willst doch nicht, dass ich etwas ohne eine Erklärung einfach so akzeptiere. Schließlich glauben wir an den Lieben Gott genau aus dem Grund nicht. Weil es für seine Existenz keine Erklärung gibt.“

Mein Vater schweigt. Er grunzt und kichert in sich hinein, nervös, als würde ein kleines Männlein in einem Topf rühren, direkt unter seinem Bauchnabel.

„Ist das etwa… eine zu niedere Arbeit für dich?“

Weiteres Schweigen.

„Wenn du schweigst, dann nehme ich das als Einverständnis“.

Keine verbale Reaktion.

„Gut… Alles klar. Weiß ich Bescheid.“

Ich fege weiter, er trinkt seinen Schnaps.

„Aber, das Mama fegt, das ist nicht weiter schlimm, ja? Sie ist Professorin. Hat zweihundertfünfzig wissenschaftliche Abhandlungen veröffentlicht. Darunter mehrere Bücher und einen Bestseller mit dem Titel „Giftige Zimmerpflanzen“. Sie ist Vorsitzende der Vereinigung „Ungarische Dozenten für die Erhaltung der Muttersprache an der Medizinisch-Pharmazeutischen Universität Targu-Mures“ . Sie kämpft für zweisprachige Tafeln an Korridorkreuzungen oder Toiletten. Das ist mindestens genauso spannend  wie ein Strandradio beim Antidiskriminierungsamt anzuzeigen…. Wo also ist der Unterschied zwischen euch, dass sie fegen soll und du nicht?“

Je länger ich nachfrage, desto lauter wird das Schweigen. Das kleine Männlein da drinnen muss mittlerweile so schnell rühren, um meine Fragen zu übertönen, dass meinem Vater buchstäblich die Ohren zuckeln, obwohl er mittlerweile kaum noch atmet um nichts von sich preiszugeben. Ich sehe plötzlich Rumpelstilzchen, das gerade gemerkt hat, das man seinen Namen weiß. Oder Gulliver im Zwergenland, der nicht weiß, wohin er treten darf.

Während ich das Kehrblech in die Mülltonne entleere, denke ich über die möglichen Erklärungen nach, warum eine Frau wie selbstverständlich manche Arbeiten macht, die wiederum ein Mann nur unter massivem Gesellschaftszwang zu tun bereit ist. Denn in einer Gesellschaft, wie die rumänische, wo keinerlei Zwang besteht, macht auch kein Mann etwas im Haushalt.

Neulich saß ich mit einem großen blonden Mann, dem Lebensgefährten meiner ungarischen Busenfreundin, einem schwedischen Künstler in einer Berliner Eckkneipe. Wir tranken und rauchten uns die Hucke voll, denn das ist ein Schwede, der säuft und raucht, als käme er aus Ost-Europa. Das finde ich sehr angenehm an ihm. Wahrscheinlich hat er sich deswegen meine Freundin, eine typische Ost-Europäerin mit einem Hang zur unnatürlichen Blondierung und Minirock mit Tigermustern ausgesucht.  Der Schwede also, der im übrigen auch schon mal in der MOMA ausgestellt hat, und in allen möglichen Themen sehr bewandert ist, so als wäre er gar kein Künstler, sondern Professor für Medizinwissenschaft, sagt auf ein Mal, und ich weiß,  gar nicht mehr, wie wir darauf kommen, dass Frauen eine besondere, angeborene Begabung fürs Putzen hätten. Genauso, wie sie einen natürlichen Mutterinstinkt besitzen, zumindest meistens. Große Werke hingegen, könnten Frauen eigentlich nicht vollbringen. Man schaue nur die Wissenschaft an, die Kunst, die Musik an. Das sei eindeutig.

Es gibt Momente, in denen sich der Teufel in Urlaub auf Alaska aufhält und ich ganz alleine bin. Das finde ich sehr schade. Denn der Hypothese des Putzgens empörtes Feministinnengerede entgegen zu setzen, beleidigt tun oder politisch korrekt zu argumentieren ist fast so, wie eine Bestätigung.  Und wer sich rechtfertigen muss, hat seine Niederlage bereits zugegeben. Also entschied ich mich, ernsthaft darüber nachzudenken, ob das stimmen könnte.

Denn, das wäre eigentlich auch putzig. Das Putzgen. Das könnte man dann auch Männern implantieren oder Embryos. Oder Tieren. Die Putzgans, zum Beispiel, wäre eine Gans, die einem die Wohnung sauber macht. Von dem genmanipulierten Hausmann der Zukunft gar nicht zu sprechen. Das könnte sogar ein Exemplar werden, der je mehr abwäscht, desto weniger sexuelle Lust besitzt, wie eine ganz normale Hausfrau eben. Eine super Vorstellung. Denn ich empfinde den postmodernen Lustzwang als ziemlich anstrengend.

Ich schaue also meinen Vater genau an und bin nicht bereit aufzuhören, denn der Teufel ist von seinem Alaska Urlaub Gott sei Dank zurückgekehrt.

„ Wenn jemand also, eine minderwertige Arbeit nicht machen muss, während die Andere ja, dann heißt es schlicht, dass diese beiden Menschen nicht gleichwertig sind…. Das heißt also, dass Mama weniger wert ist als du. Und warum? Ich kann zwischen  euch nur einen Unterschied entdecken: du bist Mann und sie ist Frau… das heißt für mich im Umkehrschluss, dass für dich Frauen weniger Wert haben, als Männer…. Nicht schlimm. Muss man nur dazu stehen.“

Stille. Mein Vater steht  langsam auf.

„Na… dann gehe ich jetzt mal schlafen. Gute Nacht“ – sagt er und verlässt leise den Raum, wie einer, der gerade aufgegeben hat.

Am nächsten Morgen herrscht fröhliche Stimmung in der Küche. Die Kinder quatschen, wir trinken Latte Macchiato, selbst gemacht. Mein Vater erscheint und setzt sich zum gedeckten Tisch. Wir reden über den Antidiskriminierungsrat und über seinen Mandanten Tökés, den Helden der Revolution, dem der rumänische Staat ungerechter Weise das Ehrenkreuz entziehen will.

Das Frühstück geht zu Ende, wie immer. Wir räumen den Tisch ab, mein Mann geht mit den Kindern, die Schwester verschwindet im Bad. Es wird stiller, ich bleibe mit meinem Vater allein.

„Ich finde es im übrigen sehr gut, dass ihr eurem Sohn beibringt, zu Hause zu helfen“ – sagt er plötzlich.

Ich schaue meinen alten Vater erstaunt an. Denn er ändert prinzipiell niemals seine Meinung. Nichts kann ihn überzeugen, wenn er etwas nicht glaubt. Und Selbstkritik übt er sowieso niemals.

„…So wie wir damals aufgewachsen sind, das geht heute nicht mehr“ – fährt er fort.

Er sucht nach Worte. Bisschen ist er verlegen. Ich warte ganz andächtig. Denn er ist grade dabei das größte Zugeständnis seines Lebens zu machen.

„Und das war auch nicht richtig…so wie wir erzogen wurden…auch Männer müssen helfen“

In der Küche ist es ziemlich warm. Aus dem Hinterhof tönen die fetzen einer Arie, der Sänger übt wieder. Und mein Vater hat grade einen Weg gefunden, etwas anzuerkennen, ohne sich selbst dabei zu verraten.

Denn fegen wird er trotzdem nicht. Nicht in diesem Leben.

 

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Leider http://www.hausdrachen.net/2013/12/23/leider/ http://www.hausdrachen.net/2013/12/23/leider/#comments Mon, 23 Dec 2013 16:00:00 +0000 Réka Kincses http://www.hausdrachen.net/?p=455 Weiterlesen ]]> Leider habe ich seit einem halben Jahr keinen Blog mehr geschrieben.

Ich verbrachte die meiste Zeit in meiner alten Heimat, schrieb und inszenierte ein Theaterstück. Leider machte das, trotz Widrigkeiten und Konflikte einen so großen Spaß, dass mein angeschlagenes Liebesverhältnis zu Deutschland seinen letzten Dolchstoß erlitten hat.

Ich habe jetzt die Wahnidee, dass jeder, der etwas gelernt, Wissen und Erfahrungen gesammelt hat, das früher oder später nach Hause bringen muss. Die Heldenreise endet immer mit einer Rückkehr, der Held bringt das Elixier nach Hause. Das ist in jedem Märchen so, in jedem Mythos und so steht es auch im Dramaturgiebuch. Wenn das nicht stattfindet, dann ist entweder der Held tot, oder die Geschichte schlecht.

Ich lasse die Kreise schließen, sonst drehe ich mich im Kreis. Ich schaue nach unten.

Auf der Straße liegt kaltes, dunkles Wasser, Schlammspuren, an den Füssen Billigware, immer gründlich geputzt aber kein Design, kein feiner unsichtbarer, arschteuerer Stil, nix mit Zeit Magazin und „Entdeckungen der Woche“, statt dessen billige und politisch unkorrekte Massenware,  es riecht nach China und Indien, in den Köpfen nach einer nie hinterfragten Identität, die langsam dahinschmilzt, in ihre Einzelteile zerlegt wird, vakuumgegart, aufs Trockeneis gelegt, als Eisbein flüssig gemacht, als Kartoffelpüree lila eingefärbt.

Keine Alchemie. Molekularküche. Nur die Form ändert sich, der Inhalt bleibt.

Der Weg vom Theater nach Hause ist kurz, wie alle Wege. Das kleinstädtisch enge, kleine, überschaubare,  das dumme, vorurteilbehaftete, engstirnige, das liebe ich. Die Fehler die nie verziehen werden, der Argwohn, der einen nie verlässt,  die Kneipen, immer von den gleichen Leuten gefüllt, die mittlerweile Küssdiehand grüßen, all das gibt meiner Existenz die nötige Schwere um mich wohl zu fühlen. Kleinstadt ist, wenn man siebenundzwanzig Jahre lang nicht zum Geburtstag eingeladen wird, weil sich damals der Freund der besten Freundin, der Ehefrau des Gastgebers in einem verliebt hatte. Das ist Tradition.

Jeden Abend sitze ich in der Kneipe, wie vor siebenundzwanzig Jahren. Meine Kinder habe ich in großelterlicher Obhut gegeben, also abandonniert. Es ist die Hochphase der Arbeit, wir proben von morgens bis abends und sitzen dann bis morgens in der Kneipe. In meinem Theaterstück geht es darum, wie Mütter ihre Kinder unglücklich machen, indem sie, sie alleine lassen. Ich frage mich, ob mein Sohn schon angefangen hat seinen Theaterstück zu schreiben. Oder zumindest zu zeichnen als Comic. Die Tochter kann ja noch nicht sprechen.

Ich vermisse die Kinder nicht, das ist eine erschreckende Nachricht. Ich bin aber nicht erschrocken. Denn ich bilde mir ein,  immer jünger zu werden. Die Leute, die mir am Anfang noch küssdiehand gegrüßt haben, machen mir mittlerweile den Hof.

Es soll dir egal sein, was ich von dir denke. - schreibt er, ein super Schauspieler, kein Adonis, aber irgendwie rührend.

Warum?

Weil ich nicht derjenige bin, der dich küsst.

Du küsst doch jede.

Aber keine Ehefrauen, mit zwei Kindern.

Das ist sehr ehrenwert von dir. Und überaus weise.

Ich liebe dich…Na ja.

Was heißt  „na ja“?

Nichts. Es ist ein Füllwort.

Aha…Bist du noch da?… Bist du jetzt in Depression verfallen?

Nein, ich trinke Wein mit meinem Mitbewohner.

Wie viel habt ihr schon getrunken?

Zwei Flaschen. Jeweils.

Ach so.

Verlasse deinen Mann und brenne mit mir durch.

In Indien könnte ich deine Mutter sein.

Na und? Ich verspreche dir, dass ich bei dir bleibe, bis du fünfzig wirst.

Das finde ich eine super Aussicht. Scheidung, drei unglückliche Kinder und dann mit fünfzig alleine. Gefällt mir.

Leider war es zu Hause sehr schön. Es ist herrlich von Besoffenen umgeben zu sein und sinnloses Zeug zu reden. Sich große Gefühle einzubilden, wo eigentlich nichts ist. Dummheiten zu machen, Fehler. Sich masslos daneben zu benehmen. Skandal zu verursachen. Am nächsten Tag enttäuscht zu sein, verkatert, unglücklich, voller Weltschmerz. Dazu Tom Waits hören, Zigaretten rauchen und so viele Kaffees trinken, bis einem schlecht wird. Das gefällt mir sehr gut.

Leider bin ich jetzt wieder in meinem sehr vernünftigen Leben zurück und habe auch schon einen Lebkuchenhaus gebacken. Und einen Blog geschrieben. Wieder mal. Obwohl, viel Sinn, macht das auch nicht.

 

 

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