Ich ärgere mich

Wenn der Mann morgens arbeiten geht, trägt er eine schicke Ledertasche, fesche Jeans und einen Motorradhelm mit Spidermanmuster.  Er duftet nach Armani, während er sich auf die rote Vespa schwingt, vor ihm unser Sohn, selbständig und groß, im gleichen Helm, wie der Papa.  Sie düsen flott durch die blühende Landschaft, Rehböcke und Kanickel springen nach links und nach rechts, wo auch immer sie entlangrasen.

Wenn ich arbeiten gehe, bin ich definitiv schon zu spät. Vorne an meinem Bauch hängt das Baby im Tragetuch, links die Wickeltasche, rechts die Computertasche, den Rolli ziehe ich hinter mir her. Mein Jackett ist bereits mit Brei beschmiert, mein Hemdkragen trägt die spuren von erbrochenen Möhren, sie ist leicht orange. Ich bin schweißgebadet, mein Lippenstift verschmiert. Ich schleppe mich zum Wagen, verstaue zuerst die Taschen, dann das Baby in seinem Sitz.

Es ist wichtig, dass ich alles in der richtigen Reihenfolge mache, sonst brüllt das Baby. Ich bin dafür zuständig, vor der Arbeit das Kind nach Berlin zur Babysitterin zu fahren, sie dort rechtzeitig abzuliefern, samt gut vorbereiteter Babytasche mit drei Mahlzeiten drinne. Das ohne Hektik. Sonst kommt das Baby schlecht drauf.

Wahrscheinlich bin ich dafür zuständig, weil ich die Mutter bin. Ich stille zwar nicht mehr, aber dieses Wickeltaschen packen, dass kann auch genetisch bedingt sein. Das ist so, weil der Mann arbeitet. Seine Arbeit ist sehr ernst. Da wird Geld verdient.

Ich dagegen arbeite nicht. Ich bin noch im Mutterschutz. Dafür bekommen wir im Monat um die 1000 Euro im Schnitt, plus Kindergeld. Das sind anderthalb Tausend, das ist mein Verdienst. Das kriege ich, weil ich mein Baby versorge. Aber das ist keine Arbeit.  Deshalb habe ich vor zwei Monaten noch einen Job angenommen, Recherche für einen Kollegen, Protagonisten suchen für einen Dokumentarfilm. Die Arbeit macht Spaß, und ich verdiene Geld. Aber das ist eben nur so Nebenbei – Arbeit, keine richtige. Frauenarbeit eben. Hauptsache Geld verdienen, ohne zu viel Zeit damit zu verbringen, weil dann müsste der Mann mit den Kindern mehr einspringen. Das kann er nicht, weil er arbeitet.

Am Tag steht mir 4 Stunden Arbeitszeit zu Verfügung. Da ist mein Baby bei der Babysitterin. Die Babysitterin ist sehr nett, ich habe sie organisiert, ich trinke mit ihr regelmäßig Kaffee, um den Kontakt zu pflegen, damit es unserem Baby immer gut geht. Ich bringe die Kleine jeden Morgen und hole sie ab. Mit Tasche versteht sich.

In den vier Stunden schreibe ich das Treatment für meinen eigenen Dokumentarfilm, weil ich ja endlich in die Pötte kommen muss, mit meinen eigenen Fähigkeiten. Bald gibt es eine Fördereinreichung, da geht es um 30 000 Euro.

„Du sollst das nicht so kompliziert machen“, sagt mein Mann, „immer dieses ewige Treatmentschreiben, da muss doch mal was zurückkommen. Sei frech, geh hin, sag ich bin gut, gibt mir 30 000,“ schlägt er vor.  Ich versuche in der Zeit, die neben meinem Job für das Treatmentschreiben übrig bleibt, so gut wie möglich zu sein.

Doch leider muss ich in dieser Zeit auch noch ein Theaterstück vorbereiten. Ich werde in Rumänien das erste Mal in meinem Leben Theater inszenieren, eine Hausdrachen-Kompilation, aus meinem Blogtexten. Das geht schon in zwei Wochen los, ich bekomme es bezahlt, es ist ein richtiger Job. Ich habe täglich fünf Minuten Zeit um das vorzubereiten. Aber man muss ja nicht so viel Heckmeck machen. Einfach gut sein, so aus dem Stehgreif.

Die beiden Kinder nehme ich mit, ich organisiere dann da unten dass sie irgendwo unterkommen, damit ich arbeiten kann. Mein Mann hat keine Zeit zu helfen. Er muss arbeiten.

Ich weiß, die Emanzipation ist ein Scheißwort und alle finden das langweilig. Doch es ist so, wenn ich als Frau arbeiten will, dann muss ich mindestens zwei, aber eigentlich drei Jobs machen. Ich bin in der Hauptsache für die Kinder zuständig. Das ist ein Job. Wenn ich das nicht will, muss ich mich andauernd und rechtzeitig ganz klar äußern, immer wissen, was ich will, einen konstruktiven Vorschlag parat haben, eine praktikable Lösung, und das im richtigen Moment vortragen, mit genug Babysitter – Nummern in meiner Tasche, nicht zu spät und nicht zu früh, im ersteren Fall ärgert sich der Mann, in dem zweiteren hat er es bereits vergessen. Das ist Arbeit. Und diese Arbeit würde ich lieber im Familienministerium machen gegen Geld.

Ich muss sagen, ich bin voll auf der Linie von Eva Herman. Babys abgeben ist Kacke. Für die Mutter und für das Kind. Die Lösung für die Gleichberechtigung sind nicht die Krippenplätze, sondern ein Mentalitätswechsel.

Warum das Baby nicht mit in die Vorstandssitzung nehmen? Da muss eben kurz mal Pause gemacht werden, wenn das Baby gestillt wird oder sonst was braucht. In dieser Zeit können die Herrschaften oder auch die Frauen eine Zigarette rauchen. Oder wenns verboten ist, einfach inne halten. Überlegen. Muße einlegen. Bestimmt ist es schwieriger zu beschließen, dass man Afghanistan bombardiert, in einem Zimmer mit einer Spielecke, wo die eigenen Kinder gerade Legotürme bauen.

Ich habe einen Spielfilm gedreht mit einer Frau die alle zwei Stunden stillen musste. Der Film ist zwar mittelmäßig geworden, aber das hat vermutlich nichts mit der stillenden Schauspielerin  zu tun. Eine andere Freundin stillte als Regisseurin während der gesamten Drehzeit.  Trotzdem sind die fertig geworden.

Zeitdruck ist völlig überwertet. Wir rennen eh in den Tod.

Für eine wirkliche Gleichberechtigung müsste sich unsere gesamte Weltanschauung ändern. Da sollten zum Beispiel an einer Vita die Lücken viel mehr interessieren, als die nahtlose Aneinanderreihung von Leistungen. Es sollte heißen: Oh, zwischen 2006 und 2011 hast du nichts gemacht? Super! Und: „Es tut mir Leid, ich habe kein Vertrauen in dich, du hast schon zu viel gemacht.“

In der Zeit, wo man nichts tut, verliebt man sich und heiratet, kriegt Kinder oder hat Affären, säuft jede Nacht bis morgens oder wandert auf dem Jakobsweg. Da, wo die Lücken sind findet das eigentliche Leben statt. Und in einer weiblichen Kultur sollte man das wissen.

So, wie wir das machen, können wir nur scheitern, Männer hassen, frustriert sein, unglückliche Kinder machen, uns erhängen. Aussterben. Da bin ich mit Eva Herman völlig auf einer Linie. Auch wenn sie im falschen Moment „Autobahn“ gesagt hat.

Johannes B. Kerner kann mich mal. Und die ganze Leistungsgesellschaft. Ich will arbeiten.

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13 Antworten auf Ich ärgere mich

  1. Thanks for some other wonderful article. The place else may anyone get that type of information in such an ideal way of writing? I have a presentation next week, and I am on the look for such information.

  2. MaLou sagt:

    Der war sehr schön! Danke!

  3. Boris Kálnoky sagt:

    Stimme Dir in allem zu Réka. Mit einer Zusatzbemerkung: Ein Grund dafür, dass brotlose Künstler statistisch gesehen sehr selten den Haushalt managen statt ihren Chancen nachzugehen, ist, dass Frauen sehr selten brotlose Künstler wählen, um mit ihnen eine große Familie zu gründen. Weil sie dann doch lieber einen Broterwerber als Mann haben wollen. Was vielleicht zum Genderproblem beiträgt.

    Oder einfach ein Zeichen dafür ist, dass bestimmte Dinge einfach von der Natur so angelegt sind.

    • hausdrachen sagt:

      Ja, das stimmt, das Frauen möglichst erfolgreiche Männer haben wollen, die möglichst viel Geld verdienen ist auch ein Teil des Gender Problems. Aber es geht nicht nur um brotlose Künstler, die sind sowieso ein Spezialfall und numerisch gar nicht relevant. Ich nenne Dir ein anderes Beispiel: neulich habe ich die Dankesrede von einem berühmten Mathematiker gehört, der grade einen hoch dotierten Wissenschaftspreis bekommen hat. In seiner Rede bedankte er sich rührend bei seiner Frau, die auch Mathematikerin ist, und auf ihre eigene Karriere verzichtet hat, um ihn, ihren Mann den Rücken frei zu halten für seine Karriere. Vielleicht war in diesem Fall der Mann tatsächlich der begabtere, wir wissen das aber nicht. Es kommt viel häufiger vor, dass Frauen die genauso akademische Berufe haben, wie ihre Männer, Ärztinnen, Juristinnen, Wissenschaftlerinnen, was auch immer, auf ihre eigene Karriere verzichten zugunsten des Mannes, als umgekehrt. Ich kann es mir kaum vorstellen, dass Männer generell so viel talentierter als Frauen sind, dass das dieses Ungleichgewicht rechtfertigen würde.

      Viel mehr glaube ich, dass da die Gesellschaftliche Prägung, also das “Gender Problem” eine eklatante Rolle spielt.

      Jetzt kann man natürlich mit der Natur und ihren vorgegebenen Sachen argumentieren, doch es ist so, dass man früher auch gedacht hat, Frauen seien nicht in der Lage Literatur zu schreiben, eben aus Gründen, die man heute “genetisch” nennen würde. Das weiss ich noch genau aus meiner Literaturstudium und darüber schrieb Virginia Woolf so wunderbar in ihrem Buch “Ein eigenes Zimmer”. Frauen haben später angefangen zu schreiben, als Männer, aus gesellschaftlichen Gründen. Aber spätestes der letzte Jahrhundert hat es eindeutig bewiesen, dass sie es genauso können, wie die Männer. Und es wäre jammerschade, wenn wir heute all die tollen Schriftstellerinnen nicht hätten, weil wir glaubten, Frauen können das nicht.

      Ich denke ähnlich verhält es sich mit allen anderen Bereichen, die Frauen sich allmählich erobern. Regie mit inbegriffen.
      Und ausserdem: die Anerkennung eines Problems ist immer Teil der Lösung.

      • Boris Kálnoky sagt:

        Liebe Réka,

        Natürlich ist es quatsch, dass Frauen aus „genetischen“ Gründen irgendetwas schlechter können als Männer. Aber das ist irrelevant, wenn wir von Kindern sprechen. Nur auf der beruflichen Ebene hat es etwas zu bedeuten. Schlechte Mütter fehlen kleinen Kindern zwar etwas weniger als gute Mütter, wenn sie weg sind. Aber selbst schlechte Mütter fehlen ihnen immer noch mehr als der beste Vater.

        Es stimmt natürlich, dass die Anerkennung eines Problems der Anfang seiner Lösung ist. Insofern ist es sicher auch gut, anzuerkennen, dass für Kinder und deren Entwicklung Mütter eine andere – und größere – Bedeutung haben als Väter. Schau Dir deine an. Insofern ist auch ihre Aufgabe und Verantwortung größer.

        Und natürlich gab es mal ein echtes Fairness-Problem zwischen den Geschlechtern. Dessen schwacher Nachhall ist noch heute wahrzunehmen, beispielsweise in deiner Geschichte, in der das Problem offenbar ist, dass der Mann sich morgens nur um eines der Kinder kümmert, statt um beide (mit der schlechten Ausrede, dass er arbeiten muss).

        Aber die Lösungen für diese Probleme sind heute individuell und haben nur noch wenig mit dem Kampf der Geschlechter zu tun. Speziell in Deutschland unterstützen viele Firmen heutzutage die Frauen und auch die Männer in diesen Fragen der Kompatibilität zwischen Arbeit und Kindererziehung. Sicher kann und wird da noch mehr gemacht werden, aber das ist letztlich Perfektionierung einer bereits guten Sache.

        Es ist schlechterdings unmöglich, wie Du forderst, dass die einen „genauso“ zurückstecken wie die anderen. Dafür sind die jeweiligen Situationen zu individuell. Es geht um praktische Abwägungen: Wieviel Geld ist nötig, wer kann das am besten verdienen, wollen überhaupt beide arbeiten, wie ist den Kindern am besten gedient, und in deinem Fall, wie schafft man es, dass Du Dein künstlerisches Potential verwirklichst.

        Aber Ideologien, die einen neuen Menschen (oder Mann, oder Frau) erschaffen wollen, oder gar ein „neues System“, die brauchen wir glaube ich nicht. Das eigentliche Problem ist dies: Weil die Frage der beruflichen Gleichberechtigung alles andere dominiert, macht niemand mehr Kinder, weil die dieses Gleichheitsdenken stören.

        • kathrin sagt:

          “Aber selbst schlechte Mütter fehlen ihnen immer noch mehr als der beste Vater” – das ist Ideologie. Böse gesagt, eine, bei der man das das Mutterverdienstkreuz erfinden kann in letzter Konsequenz. Ich glaube (und ich erfahre es täglich in meiner Familie), ein guter Vater ist genau so viel wert für ein Kind wie eine gute Mutter. Und es ist definitiv lieber in den Händen des guten Vaters als der schlechten Mutter. Das Problem ist natürlich unglaublich komplex und es lässt sich nicht nur auf ein Gender-Problem oder die Gleichberechtigungsfrage runter brechen. Wenn ich davon ausgehe, dass einer eben das Geld verdienen muss und deshalb kausal der andere zurückstecken muss, habe ich mich doch schon in einem System eingerichtet, dass ich erstens als problembehaftet anerkenne und dass mich zweitens unglücklich macht (denn niemand soll mir erzählen, dass dieser Mathematiker nicht genau weiß, dass seine Frau ein Opfer bringt und sollte er sie lieben, wovon ich ausgehe, wenn er sie in seiner Dankesrede erwähnt, auch selbst darunter leidet, dass sie dieses Opfer für seinen Erfolg bringen musste!).
          In diesem System macht niemand mehr Kinder, nicht weil sie das Gleichheitsdenken stören, sondern weil sie unsere Selbstvermarktung stören, die geforderte Flexibilität kaputt machen und – auweia – auf etwas wichtigeres im Leben als “mein Projekt gerade” hindeuten, woran wir uns lieber nicht erinnern, weil wir wissen, dass dieses Wichtigere nur unter der Prämisse gesellschaftlicher Verachtung (weil ich mich der Norm verweigere) zu haben ist. Sich damit abzufinden ist tatsächlich das Ende der Ideologie. Im negativen Sinne.
          Réka, dein Genie ist erwiesen. ABER: ich glaube, du wärst glücklicher, wenn du es ausleben könntest, ohne damit dein Geld verdienen und mit diesem Geld “gegen deinen Mann anstinken” oder mit ihm mithalten zu müssen, um das Recht auf Entfaltung zu erwerben. Es geht dabei ja nicht nur um Kindererziehung, sondern auch darum, dass Männer und Frauen der Welt viel zu geben hätten, was heutzutage aber nicht entlohnt wird, weil es nicht als relevant oder gar profitbringend anerkannt wird (der gute alte marx´sche Zirkel: Geld-Ware-mehr Geld bezieht ja inzwischen die eigene Person als Ware mit ein). Also doch und nochmals ja, es ist eine Systemfrage!

  4. Boris Kálnoky sagt:

    Sherry: Kinder großziehen ist überhaupt keine “Arbeit”, es ist Lebensaufgabe. Die einzige, die sich wirklich lohnt. “Echtes” Arbeiten hingegen ist überhaupt keine echte Lebensaufgabe. Es anders darzustellen, verdreht die Dinge.

    Und die ganze Debatte ist überfrachtet mit Ideologie. Die simple Wahrheit ist: Man kann nicht viele Kinder großziehen und gleichzeitig beruflich alles machen, was man gerne hätte. Weil heutzutage alle der Meinung sind, dass Arbeit glücklich macht, gibt es kaum noch Kinder. Weil eben beides zusammen schlecht geht, und viele Arbeit wählen statt Kinder.

    Der Anfang ist, das einzusehen. Wie man dann die durch reichen Kindersegen reduzierten beruflichen Spielräume verteilt, und zwar so, dass ganz klar die Kinder Priorität haben, das hängt von vielem ab – tatsächlich muss die Familie leben dh Geld muss verdient werden, und das zu lösen, hat nichts mit Geschlechtern zu tun, sondern damit, wie es am besten so funktioniert, das man die Familie auch ernähren kann.

    In Rekás speziellem Fall kommt hinzu, dass sie ja nicht, um dem Kinderstress zu entrinnen, irgendwo als Sekretärin arbeiten will, sondern wirklich Genie hat. Ihr Talent aus Zeitgründen abzuwürgen, wäre Sünde. Aber sie hat eben nicht so viel Zeit, wie sie gerne hätte, wird sicher so bald auch nicht viel mehr haben, und so ist Disziplin und effiziente Ausnutzung der Zeit das A und O.

    Das ist alles unabhängig vom Geschlecht. Es könnte ja auch umgekehrt laufen, der Mann hätte das Genie, aber keine verlässlich geldbringende Arbeit, Réka würde das Geld verdienen und er müsste ihr im Haushalt den Rücken freihalten. Und könnte daher sein Talent nicht frei entfalten. Da würde dann aber keine Frau im Internet empört aufschreien, dass das Talent dieses Mannes durch die Unterdrückung, die er durch seine Frau erleidet, zu kurz kommt.

  5. Sofasophia sagt:

    du bringst es einmal mehr, in deinem unnachahmlichen stil auf den punkt.
    herrlich geschrieben über ein thema, das so kontrovers ist wie kaum ein zweites.

  6. Beatrice sagt:

    hahaha, was besseres als den Tod finden wir alle mal, sagte sich die Bremer Stadtmusikanten. Wie war das noch mal? Der Hahn auf der Katze, die auf dem Hund, der auf dem Esel saß?
    Sping in die Lebenslücken, ins Leben. Ob das Arbeiten frei macht, sei dahin gestellt.
    Viel Glück beim szenischen Bloggen bei der ungarischen Minderheit in Rumänien.

  7. Boris Kálnoky sagt:

    Furioser Text. Aber Schwachsinn, das an Geschlechtern festzumachen. Ich könnte schon drei-vier Bücher geschrieben haben, wenn ich nicht so viele Kinder gemacht hätte. Denn um die habe ich mich ja auch immer kümmern müssen, und zusätzlich um alle die Frauenprobleme, die Männer lösen sollen, und die mindestens nochmals ein-zwei Kinder an Stress ausmachen. Macht mir aber nichts aus, dass es eben nur ein Buch ist bislang, und dafür sieben Kinder. Dass wir auf die Verwirklichung beruflichen Potentials verzichten müssen, um unser Potential in Sachen Nachwuchs zu verwirklichen, das ist wohl einfach so. Trotzdem geht beides, aber eben beides nur in Grenzen wenn es nebeneinander läuft.

    Man kann auch auf hohem Niveau klagen. Eszter kann von 1000 Euro Mutterschutz nur träumen, und ebenso von großzügigem deutschem Kindergeld. Kinder erziehen ist kein Job. Es ist Pflicht. Eltern haben kein Recht darauf, wegen solcher Sachen furchtbar frustriert zu sein, und das dann an den Kindern auszulassen, und dann zu sagen, bitte sehr, das Kind ist unglücklich, weil ich unglücklich bin. Macht mich glücklich, dann mache ich das Kind auch glücklich.

    Du bist vom lieben Gott reich beschenkt mit Talent, da ist Genie in Dir. Ahnenland habe ich geschrieben zwischen Tür und Angel, in Fünfminuten-Pausen neben Hauptjob und Familie, und musste nebenbei meine “Ehe” retten. Du schaffst das auch, und indem Du es schaffst, bist das das größte das es gibt auf der Welt: Eine tolle Mutter und eine tolle Künstlerin und eine fantastische Organisatorin, mithin eine Superfrau. Kein Mann kann das jemals erreichen.

    • Kathrin sagt:

      Wenn der Mann müsste, dann könnte er. Denn die Frau an sich ist ja per se und per Biologie nicht das Wunderding, als das sie gerne dargestellt wird heute, damit sie den Mund hält. Natürlich haben wir hier in Deutschland Idiotenprobleme und jammern auf hohem Niveau. Aber dass mich einer “Superfrau” nennt und hervorhebt, wie unglaublich toll das ist, was ich schaffe, das macht´s ja nicht besser. Soll ich mit Stolz geschwellter Brust rumlaufen, weil ich so gut mit der gesellschaftlichen Überforderung klarkomme? Das gleiche Argument wie “du kannst das besser, deshalb musst du das immer machen”. Na, dann lernt es halt! Kinder sind kein Job, das ist wahr. Sie sind Pflicht, sie sind Erfüllung, sie sind Bereicherung (und ja, tatsächlich, man kriegt ja soviel zurück!:-)), aber in dieser Gesellschaft fühlen sie sich an wie ein Job und das ist das eigentlich Fatale! Allein dieser Diskurs, dass das Mutterdasein “bezahlt” werden sollte. Da gibt es nix zu bezahlen. Da gibt es Struktur zu schaffen, wenn Anerkennung und “echtes Schaffen” schon nur durch Lohnarbeit zu haben ist, bei der man sich fühlt, als flöge man nur jeden Tag schneller dem Tod entgegen! Oder eben…die Revolution, die es nicht geben wird, solange wir uns gegenseitig pampern, wie toll wir sind, weil wir ja soviel schaffen, wenn wir nur vom richtigen Blickwinkel drauf schauen.

    • Sherry sagt:

      Es ist sogar sehr wichtig, das am Geschlecht festzumachen. Sehr. Kümmert sich ein Mann um die Kinder und opfert ein wenig Karriere, ist das gleich eine herausragende, aufopferungsvolle, überordentliche Leistung. Tut es eine Frau, ist das normal, ihre Pflicht, genetisch eh so vorgesehen und überhaupt: soll sie einmal glücklich sein.

      Fakt ist, dass das Hüten eines Babies und der Haushalt eines der stressigsten Jobs überhaupt ist. Die Anerkennung dafür ist aber gleich null. Das Schlimmste ist sogar, dass die Frauen selbst diese Arbeit nicht mehr anerkennen, weil’s ja “ihre Pflicht” ist, als würde das die Sache vereinfachen. Selbst unserer Réka konnte man irgendwie teilweise das Gefühl vermitteln, als sei Kinderhüten und Erziehung keine echte Arbeit, als sei das eine “Default-Einstellung”, die dem System “Frau” keine Ressourcen abverlange.

      Auf jeden Fall ist das eine Geschlechtergeschichte.

      • Réka Kincses sagt:

        Hallo Ihr alle.

        Also ich glaube, es ist viel Wahrheit in alldem was ihr sagt. Boris Hinweis darauf, dass man nicht unendlich viele Kinder machen kann und gleichzeitig auch unendlich viel Arbeiten, finde ich auch richtig und wichtig. Auch glaube ich, dass Arbeit vollkommen überbewertet ist. Den eigenen Wert ausschließlich über Erfolg in der Arbeit und der permanenten Bestätigung von Aussen zu definieren ist nichts weiter als ein Ausdruck von narzisstischer Störung, dass sich wunderbar in eine kollektive narzisstische Störung eingliedert (Hans Joachim Maaz “Die narzisstische Gesellschaft” – ein wunderbares Buch zum Thema). Trotzdem ist es schwer diesen Drang abzulegen, bzw. es geht kaum.
        Dazu kommt, dass das Szenario von Boris: der Mann hat Genie, muss aber zu Hause Kinder hüten und kommt nicht zur Selbstentfaltung, kommt statistisch gesehen so viel seltener vor, dass das fast zu vernachlässigen ist. Und genau das ist der Punkt, wo es für mich klar wird, dass es doch, leider, leider eine Gender Frage ist.
        Wenn die “Benachteiligung” durch Kinder in der Gesellschaft paritätisch verteilt ist, und genauso viel Männer zurückstecken, wie Frauen, um Kinder großziehen zu können, dann ist das keine Geschlechtergeschichte mehr, sondern ein generelles logistisches Problem.

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