Das ideale Mannesgeschenk

Bei uns zu Hause macht man kein großes Ding aus Geburtstagen. Das mag daran liegen, dass meine Mutter nur ein Tag vor Weihnachten geboren und ihr Geburtstag nie gefeiert wurde. Er ging im allgemeinen Heiligabend-Getummel unter. Später wurden als Rache alle Geburtstage von anderen Menschen ignoriert. Und das ein Leben lang. Ich kann mich aus meiner Kindheit an kaum ein Geburtstagsfest erinnern, und wenn doch, dann waren meine Eltern nicht dabei. Das belegen die Fotos, die einen Haufen Mädchen zeigen, mit einer überforderten Oma.

Im Gegensatz dazu ist in der Familie meines Mannes jeder Geburtstag ein Heiligtum. Es werden Kuchen gebacken, Kerzchen gezündet, Geschenke gebastelt - Leporellos mit Kindheitsfotos, oder selbstgeschöpfte Papierbögen mit handgeschriebenen Gedichten. Lauter Zeugs also, das hauptsächlich einen emotionalen Wert hat. Das heißt, es liegt ewig in der Wohnung rum, nimmt viel Platz ein, sammelt Staub und bringt nichts.

Ich persönlich habe praktische Sachen viel lieber, selbst Socken kann man immer gut gebrauchen. Kochschürzen statt selbstgebastelte Fotoalben. Das zeigt meine armselige, materialistische Ostprägung. Etwas in mir will am Ende des Tages immer nur Bananen. Oder das Geld von Anderen.

Aber, ich bin lernfähig. Mein Mann wird schließlich Vierzig. Da überlege ich mir etwas mit einem emotionalen Wert, und damit meine ich keine selbstgegossene Ökokerze.

Ich suchte also nach einem besonderem Erlebnis, nach etwas, was einem hilft, die neue Lebensphase zu beginnen, in der man in die angesagten Clubs nicht mehr ohne weiteres reinkommt, von Türstehern gesiezt wird und in hochgekrempelten Jeanshosen latent lächerlich aussieht.  Die Lebensphase, in der jeder erfolgreiche Debütant in der Filmbranche jünger ist, aber langsam auch jeder Chefredakteur. Sich an all das zu gewöhnen und es radikal zu akzeptieren, ich finde, dafür braucht man eigentlich Unterstützung.

Ein guter Freund, der auch mein Ehemann kennt, empfiehlt ein Seminar. Es geht um Bildhauerei, darum aus Marmor eine Skulptur zu machen unter freiem Himmel. Der Therapeut beobachtet, wie man mit der Materie umgeht und analysiert das. Man lernt sich besser kennen, denke ich. Nur es ist verdammt teuer.

Ich suche also nach einem billigeren Angebot, bei dem gleichen Mann. Eine Preiskategorie tiefer heißt es: „Seminar für den ganz normalen Mann“. Das ist es. Für normale. Nicht für welche mit Psychomacke.

Ziel ist ein emotional entwickelter und unabhängiger Mann, der für seine Herzenswünsche einsteht, Mut und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten hat, sein Herz für sich selbst und andere Menschen öffnet” – steht in der Beschreibung. Das finde ich gut.

Ich starte eine breit ausgelegte Sammelaktion im Freundeskreis. Auf meine optimistisch formulierte email, das den Link zum Seminar beinhaltet, kommt innerhalb von zehn Minuten die erste niederschmetternde Antwort:

„Ich würde ihm keinen Kurs schenken wo es darum geht, wie werde ich zu einem BETA MANN, sondern einen, der männliche Aggressivität fördert, so etwas wie ein Jagdkurs.  Ich finde, dass Männer in den mittleren Jahren viel mehr damit zu kämpfen haben, zu wenig Agression zu besitzen (Testosteron sinkt ja mit dem Alter) und dadurch Schwierigkeiten haben, die Herausforderungen des alltäglichen Lebens (und den Job) meistern zu können.“ – schreibt eine engagierte Freundin.

Ich denke nach. Wenn also ein Mann  ”für seine Herzenswünsche einsteht” – dann ist er ein “Beta Mann”? Er soll lieber wütend sein, heisst es.

Nun, es ist so, dass mein Mann und ich, wir beide leiden unter schrecklichem Jähzorn. Wer grade seinen Stündchen hat (und das kommt, weiss Gott und die Nachbarschaft, nicht selten vor ), dem steigt sein Hormonpegel im null Komma nichts  überall hin, wo er nicht mehr kontrollierbar ist. Die geröteten Gesichter, die funkelnden Augen, die bis zum platzen gespannten Halsschlagader und die stark eingeengten Wahrnehmungen deuten darauf hin, dass man bei uns wegen Mangel an Aggressivität sich keine Sorgen machen muss.

Einen Jagdschein hat mein Mann auch schon seit zwei Jahren. Seine Firma floriert. Er ist fit und kommt mit wenig schlaf aus.

Hm.

Wenig später kommt eine weitere Email von einem anderen besten Freund, der sich der Meinung der Freundin anschließt. Er schlägt vor, man sollte ihm lieber einen Fallschirmsprung spendieren.

Der Vorschlag löst einen erneuten Sturm an Mails aus, die Leute sind erleichtert, sie wollen Fallschirmsprung verschenken. Nur leider ist das bereits passé, denn ich habe ihm zum  30. Geburtstag bereits einen Sprung geschenkt.

„Auf keinen Fall soll es etwas sein, dass nach Aufgabe aussieht“-  schreibt ein Anderer- „Man soll ihm was schenken, was ihm Spaß macht.“

Ich denke grundsätzlich über das Prinzip des Schenkens nach. Soll man Alkoholikern Schnaps, jungen Filmemachern Kokain, Übergewichtigen Schachtelweise Schokolade, Don Juan einen ausgiebigen Puffbesuch und Selbstmordgefährdeten einen Strick schenken?

Oder lieber eine Entziehungskur,  eine Zehnerkarte fürs Fitnesstudio mit Ernährungsratgeber,  eine Psycholanalyse oder Verhaltenstherapie?

Ich jedenfalls gehe in den Laden und kaufe Socken. Schöne schwarze, gestreifte und graue Socken.

Hemden. Metallic mit Pünktchen, Okkerfarben, Hellblau.

Schön.

Wenn doch nicht schön, dann gehen wir zurück in den Laden tauschen das einfach um und das Leben geht weiter, als wäre nix passiert.  Das einzige, was sich langsam und heimlich verändert, ist der Testosteronspiegel.

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8 Antworten auf Das ideale Mannesgeschenk

  1. glumm sagt:

    werdet ihr erst mal fünfzig und haltet testosteron für eine besonders pfiffige form von teflon, dann sprechen wir uns wieder. verdammt.

  2. Pingback: Woanders | Herzdamengeschichten

  3. Clara Himmelhoch sagt:

    Was habe ich beim Lesen geschmunzelt – und über 30 Jahre zurückgedacht. Damals habe ich mir um den sehr testosterongesteuerten Lebensbegleiter noch sehr viele Gedanken gemacht, die ich mir kurze Zeit später nicht mehr machen musste, da er sich anderweitig erfreuen ließ
    Als gelernte Ostlerin bin ich auch mehr fürs Praktische – müssen ja nicht gerade Bananen sein.

  4. Pingback: Links vom 19.03.2013

  5. Sofasophia sagt:

    ich fand die idee mit dem kurs super …
    wusste gar nicht, dass es so viele typen gibt, die so was doof finden. die sache mit dem beta-mann finde ich gänsehautmässig – also ich meine, dass ein mann immer alpha sein müsste und so weiter.

    puh … aber über socken und hemden wird er sich gewiss auch freuen :-)

    -
    toll geschrieben!!!

  6. erzs sagt:

    Well — well … So schreibt man sich in die Weltgeschichte ein … :-)

  7. kathrin sagt:

    meiner ist auch grade 40 geworden. und ich hab vergessen, was ich ihm geschenkt hab. ich glaub…es war ein buch. naja. er liebt Bücher.
    das muss man dann wohl anerkennen. und nicht jeder weintrinker ist ein alkoholiker – also, vielleicht lässt man manchmal einfach den mann…sein eigener mann sein. das entspannt.

  8. Boris Kalnoky sagt:

    Schnaps, Buch und Unterhosen. İmmer. Nie mehr darüber nachdenken. Hoffe damit geholfen zu haben.

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