Brief an einem normal-sterblichen Ehemann

Neulich habe ich ihn erkannt. Den puren, ungeschminkten Macho, der mich mit eiskaltem Blick hinter blonden Locken angeschaut hat. Das war der Blick des Henkers, kurz bevor er den Scheiterhaufen anzündet.

Er ärgerte sich zum tausendsten Mal über jemand und fragte mich um Rat. Ich als Ehefrau habe die Weisheit mit großen Löffeln gefressen und sie hat mir ziemlich gut geschmeckt. Anders als mein Ehemann war ich schon immer gewollt mich mit meinen Problemen analytisch auseinander zu setzen und wer sich selbst erkennt, wird weise. Mein Ehemann lehnt die Nabelschau unter dem Namen “Haiti-Taiti” radikal ab. Deshalb kann er gar nicht weise werden. Er hat seit über zehn Jahren (so lange kenne ich ihn) immer die gleichen Probleme. Und ich gebe ihm seit über zehn Jahren die gleichen Ratschläge dazu. Auch jetzt antworte ich bedacht und sage, er sollte sich fragen was das Ganze mit ihm zu tun ha… – noch bevor ich ausreden kann, schreit er: “Halt die Klappe ich will es nicht hören, deine ewige Leier.” Ich bleibe ruhig, ich weiß, jetzt ist es am wichtigsten ruhig zu bleiben, auf keinen Fall beleidigt zu wirken, schließlich weiß ich ja, dass ich Recht habe. ”Dass du so wütend wirst, zeigt mir dass es stimmt, das ist dein Spiegel…” Bevor ich diesen Satz zu Ende sagen kann, brüllt er noch mehr, zieht die Vollbremse und springt bei heftigen Minusgraden aus dem Auto. Ich bleibe immer noch ruhig und wechsele zur Fahrerseite.

Nach ein paar Minuten kommt er zurück und versucht mich vom Fahrersitz zu jagen, er wolle selbst weiterfahren! Ich antworte ruhig, das sei jetzt zu spät, ICH würde jetzt weiterfahren. Er setzt sich beleidigt hinten ins Auto und schmollt anderthalb Stunden lang bis nach Berlin. Dort sagt er, wie schrecklich es sei, dass ich seine Grenzen nicht achte. Ich antwortete ruhig, wenn er mich was fragt, dann muss er bereit sein die Antwort anzuhören, auch wenn es kritisch ist. Er brüllt wieder unartikuliert. So geht das Tage lang weiter. Er versucht es mit netten Worten und Blumen, mit schreien und erpressen, ich soll einfach zugeben, dass ich auch einen Fehler gemacht habe. Ich habe seine “Grenze” nicht geachtet. Ich verharre in meinem tiefen Glauben, dass ich Recht habe. Das war nämlich die Grenze seines Egos und die zu achten ist schädlich. Die Grenzen des Egos soll man mit Gewalt durchbrechen. Das ist ein Liebesdienst. Dafür hat er dankbar zu sein! Stattdessen nennt er mich einen Folterer und wirft mir seelische Grausamkeit vor. Ich sage, es sei viel einfacher, klein beizugeben als sich diesen tagelangen Stress reinzuziehen. Wenn dass die Eltern verpasst haben, muss wohl ICH dran glauben. Ich spüre meine Größe und bin beseelt.

In diesen Tagen habe ich oft diesen Blick gesehen. Den Frauenkillerblick. Da wusste ich, dass ich schon tausend Mal verbrannt worden bin. Aber das hat alles nix geholfen. Bei diesen ganzen Konflikten geht es um etwas Archaisches, um etwas Kollektives jenseits einer banalen Alltäglichkeit. Das muss erstmal erkannt werden.  Der Mann will den Zepter um jeden Preis in seiner Hand behalten. Und die Frau fühlt sich ewig und zwei Tage als Opfer männlicher Gewalt.

Mein lieber Ehemann auch du willst die Macht behalten. Und ich werde dich davon abhalten. Du willst mich beherrschen, auch wenn dir das so gar nicht in dein nettes, kumpelhaftes Frauenversteherbild passt. Und das will jeder Mann, jeder stets abwaschende, bügelnde, häuslich-babysittende, frauenverstehende Mann. Jeder will eigentlich seine Ehefrau beherrschen. Darum gibt es Krieg.  Tarnung ist alles, das wissen wir aus der Evolutionslehre. Und um nichts Anderes geht es hier, als um Evolution der historischen Rollenmodelle. Der Macho ist auf den ersten Blick gar nicht mehr zu erkennen. Das Patriarchat hat einfach nur die Ebene gewechselt, aus dem Sozialen ins Psychologische.

Mein dreijähriger Sohn sagt: Kameras bedienen können nur Männer. Gegen die hinterhältigen Machtmechanismen netter, liebevoller Männern ist Frau fast machtlos, fast. Aber sie lernt dazu.

Dass ich diesen Blog schreibe, habe ich meinem nicht ganz gewöhnlichen Ehemann zu verdanken. Dass er dabei selbst sein Fett wegbekommen wird, wusste er zu gut. Dass er es mir trotzdem empfohlen hat, halte ich ihm hoch. So stelle ich mir die ideale Zusammenarbeit zwischen Mann und Frau vor. Es ist also nicht alles verloren. Aber machen wir uns nichts vor: Die andere Seite ist auch da, und sie wird uns zur Strecke bringen wenn wir sie nicht ernst nehmen.

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3 Antworten auf Brief an einem normal-sterblichen Ehemann

  1. Reneelomris sagt:

    den blog finde ich lesens- und sehenswert

  2. Reneelomris sagt:

    den blog finde ich wunderbar ….

    wo kann man lernen so gute Gestaltung hinzukriegen?

    die Texte sind spannend –

  3. katja sagt:

    Das hier ist ganz großes Kino.
    Endlich eine, die sich traut die Unterschiede zu benennen.
    Dankeschön!

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