Kritik

Ich hasse alle die meinen Film kritisieren. Und ich hasse sie nachhaltig. Ich sage das nicht, sondern tue so, als wäre ich stark und kritikinteressiert. Ich höre sanft lächelnd zu, nicke, erwidere ab- und zu etwas intelligentes, so, dass sich der Kritiker sofort verstanden fühlt. Auf keinem Fall halte ich Kontra. Nicht dass jemand denken könnte, ich wäre kritikunfähig. Nein. Ich führe ein gescheites Gespräch, während ich innerlich zusammenbreche, umfalle, würge und kotze, tausendmal in die Hosen mache, ohnmächtig werde, sterbe, wieder aufstehe, strampele, schlage und seufze, hohe Töne von mir gebe, röchele und schieße und schieße bis in mir drinnen nichts mehr übrig bleibt.

Dem gegenüber ist nichts aufgefallen. Wir verabschieden uns freundlich, er ist zufrieden, wieder mal konstruktive Kritik geübt zu haben. Ich, der Schlachtfeld auf zwei Beinen biege mit stolzen Schritten um die Ecke. Jetzt spüre ich nichts mehr. An der Kreuzung werde ich fast von einem Auto überfahren. Wer nichts fühlt wird eben auch unsichtbar.

Jemand hat mir erklärt, ein Blog sei etwas, was man täglich schreibt. Ich hasse Ratschläge.

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8 Antworten auf Kritik

  1. Sherry sagt:

    Einmal, da besuchte ich auf Anraten einer lieben virtuellen Person, ein Forum für Literaturbegeisterte zu besuchen, die auch selber schrieben. Man könne dort seine Gedichte und Kurzgeschichten reinsetzen und die Meinung von Interessierten und Bewanderten einholen. Ich war sofort hellauf begeistert und ging naiv da rein. Was die Antwort war, war eine Katastrophe, Réka. Alle Tipp- und Rechtschreibefehler wurden korrigiert. Jeder scheiß Satz, der sich in ihren Ohren hätte besser geklungen, wurde als Korrekturvorschlag (Ratschlag oder Totschlag) hingeplätschert. Nicht nur das, sie stritten sich sogar untereinander um die bessere und ausgeklügeltere vorgeschlagene Version. Jedes Wert von mir (und ich habe Gott sei Dank nur drei bis vier da reingesetzt, so dumm wie ich war), wurde zerfleddert, zerrissen aus der Absicht, die ich hatte, entfremdet.

    Na, um am Ende kam immer: “Der Ansatz war gut, das Thema ist eigentlich auch interessant, aber… (Zusammenfassung der 10000 Kritikpunkte). Hoffe, bald mehr von Dir zu lesen!” MY ASS, dachte ich nur. Da schreib’ ich nie wieder. Seitdem bin ich wieder so unterentwickelt wie vorher, weil Kritik nicht so mein Ding ist.

    Ich verstehe Dich so gut. Musste sogar lachen, obwohl ich weiß, dass das so witzig gar nicht ist.

    • Sherry sagt:

      Das sollte heißen:

      * “Jedes Werk” (und nicht Wert)
      * “Und am Ende kam immer” (Nicht “um am Ende kam immer”)

      Tjah, so ist das, wenn man nebenbei simst und tippt. :D

    • reka kincses sagt:

      Ja, ich habe auch erst gefühlte zwanzig Jahre nach meinem Literaturstudium angefangen zu schreiben. Und das auch nur, weil ich eigentlich Filmemacherin bin.

  2. Hajnalka sagt:

    Ungefragte Kritiker?
    Jawohl!
    Liebe sie, denn die sind echt!
    Und ich finde…ach ja, hab ich schon mal gesagt….hab dich lieb!

  3. Anja sagt:

    …es tut mir sehr Leid, Dich so leiden zu sehen. Das bricht mir fast das Herz, da ich weiß wie stark Du sonst alles meisterst (auch mit Deinem Sohn :-) ).
    Die Fragen hier lauten doch ganz klar: 1. Hätte Dir Dein neuer Film Spaß bei der Fertigstellung bereitet wenn er anders (gewöhnlicher) gewesen wäre? und 2. würdest Du nicht Dich und Deine Seele verkaufen, wenn Du versuchst Dich und Deine Filme an andere/s anzupassen?

    Ich war mal bei einem Kommunikationsseminar und am Ende konnten/sollten die Teilnehmer anonym den anderen Teilnehmern (Anzahl insgesamt 15) feedback geben. Jeder bekam 7 Zettel auf denen sowas stand wie “mit Dir wäre ich gerne befreundet” oder “Du hast die Arbeit der Gruppe gestört” oder “Dir würde ich gerne ein Problem anvertrauen” oder “mit Dir kann man Pferde stehlen” oder “mit Dir möchte ich nichts mehr zu tun haben” etc…
    Resumee: es gab sowohl krasse “nette” wie krasse “schlechte” Kritik. Nachdem alle ihre Zettel bekommen hatten, waren die Teilnehmer am traurigsten, die garkein Feedback bekommen hatten. Keiner hatte sie wahrgenommen.
    Was ich Dir sagen möchte: Extreme Charaktere bekommen auch extreme Kritik. Ich zähle Dich dazu :-) Also ich möchte lieber Polarisieren anstatt in der Menge unterzugehen. Steh zu Deinen Produktionen und schrei lieber mal jemanden für “ungefragte” Kritik an. Man muss nicht immer höflich sein- wichtiger ist für sich selbst einzustehen. Meistens wird man im Leben gespiegelt – stehst Du zu Dir, dann tun das auch andere…
    Ich drück Dich, Anja

    • Weberin sagt:

      Ah ja, ich glaube ich verstehe das ein bißchen, das umbringen wollen der Kritiker und auch den klugen Kommentar von Anja. Im Prinzip lässt es sich ja auf die einfache Formel bringen, dass wir alle nur geliebt und bewundert werden wollen. Und ganz ehrlich, richtig konstruktive Kritik, gibt es nur von Menschen, die erst einmal denjenigen den sie kritisieren wertschätzen, alle anderen wollen sich ohnehin nur durch ihre Kritik profilieren. Auch wenn man das in dem Moment nicht merkt, später hält es einen davon ab, dem Mordinstinkt nachzugeben ;-)

  4. Boris Kálnoky sagt:

    Kritiker gehören erschossen.

  5. Beatrice sagt:

    Liebe Réka,
    na dann weiss ich wenigstens, warum wir so gut zusammenarbeiten können. Besonders meine direkte Art erfreut dich, oder?.
    Ich liebe es mit dir zu arbeiten und zu streiten.
    Dein HappyHouseGorilla

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