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hausdrachen . házisárkány » diktatur https://www.hausdrachen.net Hysterische Frauen an die Macht! . Hatalmat a hisztérikus nőknek! Thu, 31 Mar 2016 13:42:37 +0000 en hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.1.3
Der Mensch ohne Kopf https://www.hausdrachen.net/2013/05/10/der-mensch-ohne-kopf/ https://www.hausdrachen.net/2013/05/10/der-mensch-ohne-kopf/#comments Fri, 10 May 2013 17:43:27 +0000 Réka Kincses http://www.hausdrachen.net/?p=437 Weiterlesen ]]> Die Ungarn, die spinnen gerade. Oder was. Die haben nicht alle Tassen im Schrank. Nazis. Sind die jetzt wirklich Nazis? Und was ist mit dem Antisemitismus da? Unmöglich! Und dieser, wie heißt er noch mal, Orbán, er hat einfach die Verfassung verändert! Mit seiner Zweidrittelmehrheit. Und die Mediengesetze? In Ungarn gibt es keine Meinungsfreiheit mehr – sagen Freunde, Bekannte, egal mit wem ich spreche.

Das macht mich wütend.

Wer seid, ihr um nach zwei Zeitungsartikeln zu meinen, dass ihr Bescheid wisst? Und selbst wenn Orbán ein Diktator ist, trotzdem habt ihr keine Ahnung!

Doch wenn ich anfange zu argumentieren, werde ich mir selbst verdächtig. Ich merke, dass ich auch keine Ahnung habe. Ich habe auch nur die paar Artikel gelesen. Ich lebe seit fünfzehn Jahren in Berlin. Von hier aus ist es gut reden, heißt es.

Ungarn.

Ich komme gar nicht aus Ungarn. Ich komme aus Rumänien. Na toll. Eins besser als das Andere.

Ich rufe zu Hause an, „schaltet den Skype mal ein“ – bitte ich meinen Vater. Das dauert. Skypen mit meinen Eltern ist, wie Rauchzeichen abgeben, an einem sehr windigen Tag. Das Bild ist unscharf, wie ein impressionistisches Gemälde, mit vielen Farbflecken.

Es gibt niemand in der Gegend, der eine Kamera scharf stellen könnte. Mein Vater ist schließlich deshalb Anwalt geworden, damit er sonst nix können muss, denn ein gut verdienender Anwalt kann alle Dienstleistungen bezahlen. „Er ist aber gar nicht gut verdienend, er ist ein Loser“ – kommentiert meine Mutter sofort, sie kann’s einfach nicht lassen. Sie, die als Professorin für Toxikologie und Autorin von mehr als hundertzwanzig wissenschaftlichen Abhandlungen auch keine Computerkamera scharf stellen kann. Aus anderen Gründen: der Mann soll das machen. Auch wenn die Frau einen Doktortitel hat soll das der Mann machen. Verdammt.

Es gibt hier viel mehr Probleme mit Weltbildern  - denke ich – als Viktor Orbán. Er ist sozusagen nur die Spitze des Eisbergs. Was sagt ihr dazu?“ – frage ich, trotz mächtiger Wackelei, Gedränge und Schubserei vor der Kamera. Meine Eltern fummeln vergeblich, das Bild wird nicht besser.

„Zu was?“– antwortet meine Mutter und ich sehe ihren Kopf leider nicht, nur einen totgewaschenen Pulli, mit schwarz-weißen Tigermustern. Der Bildausschnitt endet am Hals.

„Na, dazu, dass Orbán jetzt ins Grundgesetz geschrieben hat, dass Obdachlose nicht auf der Straße übernachten dürfen.“

„Finde ich sehr gut“– sagt meine Mutter.

Meine Mutter, dass muss man dazusagen, hat einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Meistens. Sie hat Civilcourage. Sie setzt sich sofort ein, wenn ihr was unfair vorkommt. Sie rettete eine Bettlerin von einem prügelnden Polizisten, zu Diktaturzeiten, wo die Leute ihre Augen schlossen und lieber gegen die Wand liefen, als dem Bullen gegenüber „halt“ zu brüllen. Meine Mutter blieb stehen, und schrie so lange, bis der Polizist die Frau los lies und schnell das Weite suchte.

„Finde ich sehr gut“ – sagt sie also, und das passt so gar nicht zu ihr.

„Und wieso findest du das sehr gut? Es verletzt doch die Würde der Menschen, wenn man sie einfach so von der Straße aufsammelt, und abtransportiert wie Müll.“

„Meine Würde verletzt es aber auch, wenn ich sie ständig anschauen muss, wenn ich über Besoffene steigen muss“ – antwortet sie trotzig.

Dass Argumente sind, wie ein Einhorn an beiden Hörnern zu packen, das weiß ich. Die Ungarn sagen auch: mit Pfürzen Ostereier bemalen. Das weitere Gespräch verläuft ergebnislos. Meine Argumente greifen ins Nichts. Auch mein Vater stellt sich stur.

Ein Mensch verhält sich demokratisch, wenn er offen ist für die Argumente anderer. Demokratie fängt im Kopf an, denke ich. Und endet in der Verfassung.

Ich versuche die Argumente meiner Eltern bei den Leuten anzubringen, die die Zeitungsartikel gelesen und über Ungarn bereits eine starke Meinung haben. Auch dort lande ich nur mäßigen Erfolg. Denn Ungarn hat den Ruf ziemlich Rechts zu sein, was auch der Realität entspricht. Und ein Land, das Rechts ist,  hat´s verschissen bei den aufgeklärten Menschen. Meine Mutter sagt zwar: „Orbán hat die Banken aber besteuert und keine Kredite vom IWF aufgenommen und die Energiepreise gesenkt. Er tut was für die Menschen.“ – aber wenn ich das zitiere, dann klingt das so, als würde ich über die Autobahn sprechen im Bezug auf das dritte Reich. Nach Rechtfertigung.

Ungarn ist aber nicht das dritte Reich. Entschuldigung. Ist es nicht. Und Orbán ist auch kein Hitler. Also…. oder meint ihr das wirklich ernst mit den Vergleichen?

Ich muss mich besser erkundigen.

Und ein bisschen Angst habe ich schon. Wovor eigentlich?

Davor, dass Ungarn eine faschistische Diktatur wird? Dass dort Menschen verfolgt und umgebracht werden? Oder einfach so massiv diskriminiert, dass sie nur noch leiden? Dass mein Lieblingstheater geschlossen wird? Mein Lieblingsdirektor ist ja schon entlassen worden.

Nein. Ich glaube am meisten habe ich davor Angst, dass ich vielleicht etwas nicht sehen könnte, nicht merken, wenn’s wirklich schlimm wird. Dass ich verdränge und mich selbst belüge, wenn es darum geht, der bitteren Wahrheit in die Augen zu schauen.

Oder, dass es sich herausstellt, dass meine liberalen, demokratischen und aufgeklärten Idole auch nur engstirnige, voreingenommene Parteipolitiker sind, von Eigennutz getriebene Arschlöcher. Das wäre fatal.

Neulich habe ich gelesen, dass politische Einstellungen vererbt werden. Sie sind genetisch bedingt. Das haben amerikanische Genforscher rausgefunden und renommierte Zeitungen haben darüber berichtet. „Die Zeit“ zum Beispiel.

Wenn das so ist, dann verstehe ich die Sache mit den Argumenten sofort. Denn das würde heißen, dass es einfacher ist sein Geschlecht zu verändern, als seine politische Einstellung. Welches Hormon macht aus einem Linksliberalen einen Rechtskonservativen? Oder umgekehrt?

Nicht schlimm. Das muss man nur wissen. Bevor man sich übermäßig aufregt, über die Dummheit der Anderen.

Neulich war ich wieder die einzige, die sich für eine Gartenparty aufgebrezelt hat. Ich trug lauter Kleidungsstücke aus einer Kreuzberger Boutiqe, trotzdem sagte mir mein Mann „du siehst so rumänisch aus“.  Ist klar.  Das ungarisch-rumänische Kleinstadtgen. Das verwandelt selbst teure Designerstücke in Billigware von Russenmarkt.

Es hat alles kein Zweck. Kostet nur Geld.

Bald werde ich mich sowieso heimlich in Viktor Orbán verlieben. Ungarische Frauen über 45 sind nämlich sehr gefährdet. Und dann, dann wird alles anders. Dann hat das Gen endgültig zugeschlagen. Dann fange ich an meine Haare zu toupieren und gehe auf Demos mit riesigen hellblauen Fahnen, um für die Autonomie der Ungarn zu kämpfen.

Deshalb sage ich  jetzt schon: Adieu, es war schön mit Euch!

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Mütter https://www.hausdrachen.net/2012/09/16/mutter/ https://www.hausdrachen.net/2012/09/16/mutter/#comments Sun, 16 Sep 2012 10:05:01 +0000 Réka Kincses http://www.hausdrachen.net/?p=387 Weiterlesen ]]>

„Mama, ich bitte dich…Mama hör bitte auf.“ – sagte meine Mutter, dreiundzwanzig Jahre alt und ihre Tränen flossen unaufhörlich, sie kniete auf dem Boden, die Hände zusammengefaltet wie vor dem Altar und bettelte um Gnade. Hinter ihr, durch die verglaste Tür und die dünnen, weißen Vorhänge war eine Gestalt zu erkennen, die eines jungen Mannes, leicht über den Esstisch gebeugt, wie jemand, der gezwungen ist mitzuhören.

Großmutter, klein und stämmig, mit riesiger Nase und niedriger Stirn, immense Kraft geballt auf schrecklich kleinem Platz, diese armenische Generalin stand in der Mitte des Schlafzimmers und schrie. „Er soll gehen! Raus mit ihm! Dieser Mann hat hier nichts zu suchen! Ich will ihn nie wieder sehen!“

Ihre Stimme rutschte viel zu hoch, ein Schrei aus dem Kopf, aus dem zitternden Hals, ohne Bauch, ohne Becken, ein Klagelied am Grabstein der Liebe.  Sie sah ihrer wimmernden Tochter zu, durch einen Schleier voller Ungerechtigkeit und Verzweiflung, ratlos warum sie nichts empfand, warum ihr Herz hart war wie die Felsen des Kaukasus oder die Hornhaut auf der Fußsohle ihrer Vorfahren, den armenischen Knopfhändlern, Flüchtlinge vor türkischer Gewalt. Sie waren aus Anatolien durch den halben Balkan nach Transsilvanien gewandert, um von einem ungarischen Fürsten Asyl zu bekommen.

„Mama, hör bitte auf!“ flüsterte meine Mutter und der junge Mann bewegte sich, nahm seinen Mantel und verschwand wortlos für immer. Er hinterließ sie auf dem dunklen Perserteppich kniend, zwischen ihr und dem lieben Gott die geschwollenen Füße ihrer Mutter. Knotige Zehen in weiße Sandalen gepresst, Beulen und Schmerz.

Meine Großmutter litt Qualen bei jedem Schritt, wie eine gealterte kleine Seejungfrau, die das Beste von sich schon lange an die böse Hexe verkauft hatte, und sich weigerte, Meeresschaum zu werden, obwohl der geliebte Prinz sie nie erkannt hatte.

Lieber quälte sie ihre Tochter.

Und die später ihre.

Und jetzt habe ich auch eine Tochter…

 

 

 

 

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Siebzehn https://www.hausdrachen.net/2012/09/10/siebzehn/ https://www.hausdrachen.net/2012/09/10/siebzehn/#comments Mon, 10 Sep 2012 11:15:21 +0000 Réka Kincses http://www.hausdrachen.net/?p=381 Weiterlesen ]]> „ Ich liebe dich!“- brüllt er und schlägt mit voller Kraft zu, ich halte mein Gesicht fest, es ist so, als wäre mein Kopf gerade gegen den Asphalt geknallt, aber ich stehe noch.

Ein Moment leuchtende Stille, silbern und unendlich, die Straße verschwindet, die Masse, das Grölen, die Männer mit den Knüppeln, alles geht in diesem Glänzen auf, etwas in mir lacht, ein lautes, breites, herrliches Lachen, und Felix schlägt noch mal zu, seine Fingerabdrücke brennen wie Feuer in meiner Haut.

Es tut nicht wirklich weh, ich fühle eher Erleichterung.

Es kommt endlich raus, diese Gewalt, die ganze barbarische Brutalität, die geballte balkanische Wut unterdrückter, schlecht verdienender Männer, von der Diktatur bevormundet, stets besoffen und nach Schweiß riechend, in ausgebeulten Hosen. Männer, die nie was anderes erlebt haben, als den dreckigen, verarmten Polizeistaat mit seiner Hirnwäsche. Drei Monate nach der „Revolution“, die uns allen die tolle Befreiung bringen sollte, stecken wir tiefer in der Scheiße als je, und nichts, aber auch gar nichts wird bestehen bleiben, die alte Welt zerfällt gerade vor unseren zerschlagen Augen. Besoffene Bauern mit Heugabeln, verblendete Intellektuelle, rassistische Polizisten, Militärs und Priester, alle werden dazu beitragen, dass es ganz schlimm wird. Vierzig Jahre lang stand alles still, eine Welt, in der meine Mutter im gleichen Haus alt werden konnte, in dem sie geboren war, selbst die Ritzen im Asphalt und die Farbe an den Wänden blieben immer dieselben, sie verblasste allmählich oder blätterte ab, und der alte Gipsy an der Ecke mit seinen Esskastanien wurde immer älter, war aber immer noch da. Heute hat er auch einen Knüppel in der Hand oder eine Zaunlatte, um auf etwas einzuschlagen, egal auf was, Hauptsache es knallt. Es ist März 1990 in Rumänien, kurz vor einer nationalistischen Eskalation, und ich bin siebzehn.

„Du  bist so hart… Mann bist du hart.“ – Felix weint fast, er ist außer Atem, als hätte er sich selbst geschlagen. „Ich habe Dich überall gesucht, ich dachte du wärst schon tot“-„ „Ich war spazieren“ – sage ich. „Spazieren im Blutbad?“  - fragt er, seine grüne Dacia steht mit offener Tür am Straßenrand, der Motor läuft,  ich höre die Masse grölen, die Sirenen der Krankenwagen , die Schreie. Leute rennen an uns vorbei, sie haben Knüppel in der Hand. „Weißt du wessen Tochter du bist? Sie jagen deine ganze Familie und du gehst spazieren?“ – Er packt mich am Arm und zerrt an mir, in seinen schönen blauen Augen Hass und Verzweiflung. Ich lach mich tot, denke ich, wenn das  Liebe ist, und lache tatsächlich. Ich weiß, dass ihn das wahnsinnig macht, dieses Rumkichern, während das Blut aus der Nase tropft. Meinen Vater konnte ich damit auch verrückt machen, dass ich lachte, als ich hätte weinen müssen.

„Du bist nur neidisch, weil dein Papa ein dreckiger Spitzel war“ -sage ich, wenn schon, denn schon, er soll seine Gründe haben, wenn er schon so wütend ist –  „ … Ein Scheißsecurist ist er!“

Felix bekommt es mit dem Zittern zu tun. Er brüllt noch lauter:

„Das stimmt nicht!“

„Nicht? Und wieso habt ihr immer einen Reisepass bekommen um in Hawaii Urlaub zu machen, während andere drei Jahre auf einen Betriebsausflugfahrt warten mussten? Hm?“

„Weil mein Vater ein international bekannter Wissenschaftler ist! Weil… weil er auf Konferenzen eingeladen wurde, und…“

Ich weiß, dass er selber nicht glaubt, was er sagt. Gegen seinen Vater gab es eine Studentenrevolte, keiner wollte mehr von ihm unterrichtet werden, er stand für das Alte und Korrupte, für die Leute, die das alte System skrupellos bedienten, um Vorteile zu haben, und Felix nahm an den Protesten teil, um nicht als Arschloch dazustehen. Leider stand er dann erst recht als Arschloch da. Bei uns sind Leute, die ihre Eltern nicht achten, noch schlimmer als Securisten.

„Du bist ein Vaterverräter!“ – sage ich, und er schlägt wieder zu, ihm fließen die Tränen, mir Blut aus der Nase. Ich bin entschlossen, weiterzureden bis ich tot bin.

„Und du tust das auch nur um Vorteile zu haben, obwohl du das mit der Securitate gar nicht glaubst. Du redest deinen Vater schön und stehst trotzdem nicht zu ihm! Feigling eben!“

Er holt wieder aus, als drei Männer stehen bleiben, zwei davon mit Knüppeln  in der Hand und einer mit Zaunlatte.  „Halt , halt langsamer sonst kann’s weh tun!“ – brüllt der größere von ihnen, und läuft drohend auf Felix zu. Der Felix hält erschrocken inne. Die Männer sind von der allgemeinen Lynchstimmung erfasst. Es sind drei Ungarn, unterwegs zum Hauptplatz, um sich mit Rumänen zu prügeln.

Der Anführer der Gruppe guckt mich an: „Ist er von der Securitate?“ – fragt er. Ich schüttele den Kopf: „Nein, nein, er ist auch  Ungar, wie wir, lasst ihn  in Ruhe“ Der Mann schaut mich misstrauisch an: „Und was habe ich da mit der Securitate gehört?“  Er tritt näher und schwingt seinen Knüppel. Felix bekommt einen roten  Kopf. „Es ist nur ein Privatstreit“,  sage ich hastig.  „Er hat nix mit der Securitate zu schaffen,  er schlägt nur seine Freundin.“  Der Mann entspannt sich, ich sehe in seinen Augen einen  Anflug von Mitgefühl. Er tritt ganz nah an Felix ran und schaut ihm in die Augen: „Ein Ungar schlägt niemals seine Frau … Verstanden?“ – Felix nickt eingeschüchtert. Der Mann ist zufrieden und dreht sich zu seinen Freunden um. „Gut. Jungs, wir können…“ – und sie gehen mit schwingenden Knüppeln weiter in Richtung Hauptplatz, um Rumänen zu schlagen.

Ich drehe mich auch um, laufe weg und weiß, dass Felix mich gleich wider einholen wird. Er ist keiner der aufgibt. Und ich weiß auch, dass er keine Chance hat, weil ich, wie man auf ungarisch so schön sagt, keinen gelochten Pfennig auf die Liebe gebe. Sein Papa wurde von der Uni verjagt, weil er ein Spitzel war, während mein Papa sein Leben riskiert hat im Widerstand. Darauf bin ich stolz. Das gibt mir Kraft. Und die Liebe kann mich mal.

 

 

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Freiheit heißt, die Blumen zu gießen bevor man abgeholt wird https://www.hausdrachen.net/2011/05/26/freiheit-heist-die-blumen-zu-giesen-bevor-man-abgeholt-wird/ https://www.hausdrachen.net/2011/05/26/freiheit-heist-die-blumen-zu-giesen-bevor-man-abgeholt-wird/#comments Thu, 26 May 2011 08:32:05 +0000 Réka Kincses http://www.hausdrachen.net/?p=146 Weiterlesen ]]> Réka, versteh mich nicht falsch, du bist begabt, so meine ich das nicht, du bist sogar eine der begabtesten…aber du solltest nicht Literatur studieren…das wird dich langweilen , was willst du damit? Ich will dich nicht loswerden, ich liebe dich, aber du wirst dich langweilen, du langweilst dich jetzt schon…das ist zu wenig für dich. Du brauchst mehr Leben.

Stille. Ich ahne, dass sie Recht hat, aber ich will es nicht hören. Ich habe zwei Jahre dafür gelernt um hier genommen zu werden. Ich bin neunzehn und es klingt, wie ein Urteil und ein Befreiungsschlag gleichzeitig, ich weiß nicht was ich sagen soll. Der Raum ist klein und abgenutzt, ein pissgelber Vorhang wedelt hinter ihrem Kopf. Sie ist winzig, ihre Brille fast so groß, wie ihr Gesicht, dieses etwas geschwollene, clowneske Gesicht, man erzählt, dass sie trinkt, viel trinkt.

Was soll ich denn machen Éva néni?

Ich denke du solltest Lebenskünstler werden.

Will sie mich verarschen? In einem Land, wo bis eben noch eine tödliche Diktatur herrschte, wo alles nur auf eine Art ablaufen durfte, wo man mit sechzehn die Berufswahl fürs Leben treffen musste um nicht in einer Fabrik zu enden. Da soll ich Lebenskünstler werden?

Nein. Du sollst woanders hingehen. Dieses Land ist dir zu eng.

Aber ich hab hier doch so viele Freunde. Und meine Eltern…und Lebenskünstler ist bei uns zu Hause ein Schimpfwort. Ja, ich weiss- sagt sie.

Pause.

Was ist ein Lebenskünstler? –frage ich.

Éva néni überlegt. Sie ist eine Kultfigur an der Universität von Cluj, Literaturwissenschaftlerin, die Heidegger von Siebenbürgen. Vor ein paar Wochen, am Anfang meines Studiums, hätte ich mein halbes Leben dafür gegeben, dass sie mich anschaut. Und jetzt sitze ich hier in ihrem Zimmer und sie ist grade dabei meine mühsam aufgebaute Lebenslüge kaputtzuschlagen. Sie antwortet nachdenklich.

Lebenskunst ist die höchste Kunst, die ein Mensch beherrschen kann. Es ist die Fähigkeit glücklich zu werden.

Ja, sie will mich verarschen. Ich hab doch jetzt schon ein paar Jahre harte Arbeit da rein investiert möglichst unglücklich auszusehen. Jeden Tag eine Packung ohne Filter Zigaretten geraucht und so. Wenn ich jetzt glücklich werde hab ich  keine Freunde mehr. Nie wieder redet jemand mit mir.

Und was soll ich studieren?– Sie lacht, wie ein Kobold, mit ihren riesigen Lippen und ihren kleinen Knopfaugen, sie ist nicht schön, nein sie ist hässlich, sie ist meine Professorin, sie sollte mich rügen und beschimpfen und drohen , dass sie mich von der Uni schmeißt,  oder meine Eltern alarmieren, wenn ich mich nicht zusammenreiße, das ist was ich gewohnt bin. Das habe ich erwartet. Doch sie lacht. Sie lacht mich aus.

Du hast die Fähigkeit dazu.

Zu was denn?

Na, die Fähigkeit glücklich zu werden. Haben nicht alle. Haben sogar ganz wenige Auserwählte. Du solltest dich darüber freuen.

Scheiße. Was soll ich jetzt sagen. Die Tür geht kurz auf, meine Freundinnen schauen hinein und kichern. Das mich Éva néni unter vier Augen sprechen wollte hat sie in Ekstase versetzt. Klack. Tür wieder zu.

Stille.

Auf einmal sehe ich mich das erste Mal von außen, wie ich hier sitze, bemüht ihr gerecht zu werden, bemüht irgendwas zu sein, was ich nicht bin. Bemüht meine Freunde zu beeindrucken, geliebt werden wollen egal um welchen Preis. Fachsimpeln. Klugscheißen. Blaustrumpf sein. Analysen schreiben über Themen, die mich nicht interessieren. Ja stimmt. Das will ich nicht.

Sie ist bestimmt verknallt in dich – sagen meine Freundinnen später – lesbisch ist sie auch noch.

Lebenskünstler. Wir fahren mit österreichischen Hungarologiestudenten durch Siebenbürgen. Überall wird Wein serviert und wir saufen. Der österreichische Professor für postmoderne Literatur, ein schöner, großer Mann um die vierzig, in weißen Leinenhosen setzt sich ab Torda neben mich und weint. Nur noch der Fahrer ist nüchtern. Éva néni hockt irgendwo vorne und starrt in die Landschaft.

Sie steht vor mir auf dem Flur der Universität in einem lila Jogginganzug, auf dem Gesicht ein komisch langgezogenes Lächeln, an dessen Ende Abgründe hängen, und kramt in ihrer Handtasche. Ich habe was für dich – sagt sie – und drückt mir ein Umschlag in die Hand. Es ist ein Brief von dem Professor für postmoderne Literatur. Er wohnte bei ihr und ging nach dieser Busfahrt nicht mehr nach Hause.

Er hat eine Familie, sagt Éva néni. Familie wäre für mich immer ein Tabu. Denk darüber nach. Sie geht. Ich öffne den Umschlag: ein kleines Heftchen voll geklebt mit Fotos von Barbie und Ken. Ich bin verwirrt. Oder ist er verwirrt? Oder ist das Postmodern?
Eine kleine sonnige Seitenstraße, Sommer, Éva néni mit ihrer Freundin, so einem burschikosen Typen. Ich hatte die Uni schon seit zehn Jahren geschmissen und lebe nicht mehr in Rumänien. Ich erkläre ihr etwas konfus und hastig was ich all die Jahre gemacht habe. Nichts Gescheites setzt sich von meinem Gelaber zusammen. Das Lächeln wieder. Du bist genau SO richtig wie du bist Réka. Es ist alles richtig. Hast du ein Kind?
Das ist verdammt gut Réka. Verdammt wahr und gut. Sie stand im Vorraum des Kinos als mein Dokumentarfilm das erste Mal gezeigt wurde, eine der ersten, die ihn sahen. Ich habe sie nicht eingeladen, sie kam einfach. Ich schäme mich- sagt sie- für mich und für meine Generation vor euch, vor unseren Kindern, wir waren so blind bei alledem was wir gemacht haben. Wir haben euch Kinder nie dabei beachtet. Euer Leid haben wir nicht gesehen. Ich will mit dir ein Wein trinken Éva néni. Nicht heute. Ein anderes Mal.
Éva néni wurde Jahre lang von der Securitate verfolgt. Sie musste jeden Morgen ins Gebäude der Staatsicherheit um einen Anwesenheitsprotokoll zu unterschreiben. Sie wusste nie, ob sie je wieder rauskommt. Danach ging sie an die Uni um uns zu unterrichten. Einmal sagte sie:
Freiheit heißt, die Blumen zu gießen bevor man abgeholt wird. Diese Paar Minuten sind Freiheit.
Am Montag den 23 Mai 2011 hat sich Éva néni umgebracht. Sie sprang in ihrer Heimatstadt Cluj von der Garibaldi Brücke in den Fluss. Ihr Körper blieb an der Schleuse hängen. Sie wurde 65 Jahre alt.
Seitdem ist alles Präsent was ich nicht wurde. Wo ich nicht blieb. Die Uni, die ehemalige Klosterschule, die ungarische Literatur, meine Eltern, meine Großeltern, Éva néni. Der Wein, den wir nicht getrunken haben nach meiner Filmpremiere. Und das sie Recht hatte.

Ich möchte ihr sagen, dass ich sie liebe. Dass ich ihr danke. Und ich wünsche ihr, dass sie ihre Blumen gegossen hat, bevor sie auf die Brücke kletterte.

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